Rezension - Die Kristallwandler - Anika Flock

06.05.2015 08:59

Rezension – Die Kristallwandler – Anika Flock

Kurzbeschreibung (nach Autor)

Epischer, philosophischer Fantasy-Roman über den Zusammenstoß zweier Kulturen.
Elderas lebt in Aeniria, einer Eis- und Schneewelt, in der ewige Dunkelheit herrscht. Nur die Nordlichter am sternenübersäten Himmel Aenirias und einige Bäume und Pflanzen, deren Blätter ein fluoreszierendes Licht ausströmen, spenden Mensch und Tier ein wenig Licht. Seit über siebenhundert Jahren leben die Aeniren streng vegetarisch und arbeiten an der Perfektion der unterschiedlichsten Symbiosen mit anderen Lebewesen. Dabei halten sie sich an die Grundsätze, die ihre Göttin Siadria gelehrt hat, als sie einst unter den Menschen Aenirias lebte und diese zur Vervollkommnung in Demut, Empathie und Vernunft anhielt. Elderas ist einer der wenigen Aeniren, die von Geburt an über ein magisches Potenzial verfügen. Die Menschen seiner Art sind ständig bemüht, den Nicht-Magiern ihrer Welt zu Diensten zu sein und in vollkommener Gleichberechtigung mit ihnen zusammen zu leben. Leider lässt die Entwicklung von Elderas’ magischen Kräften lange auf sich warten, bis sich in seinem siebenundzwanzigsten Lebensjahr, drei Jahre vor der Volljährigkeit, die Ereignisse überstürzen, und der junge Aenire aus seinem beschaulichen Leben in selbst gewählter Einsamkeit heraus gerissen wird.

Meruna ist eine klassische Anhängerin des Gottes Arkondos, der in ihrer Heimat, in Koldarun, gefürchtet und inbrünstig verehrt wird. Sein Element ist das Feuer, und es spiegelt sich überall in den kargen koldarischen Landstrichen wider: aktive Vulkane, Flüsse aus zäh glühender Lava, undurchdringliche Rauchwolken am Himmel, aschebedeckte Erde, brodelnd heiße Quellen und eine Sonne, die das Land auf ewig auszutrocknen sucht, verleihen Koldarun sein charakteristisches Gesicht. Meruna eifert ihrem Vater, einem mächtigen Magier, nach, der nach den höchsten Idealen seiner Kaste strebt: dem Erlangen von Reichtum, Macht und dem Gehorsam anderer. Die Magier Koldaruns missbrauchen ihr Geburtsrecht, durch die Gesetze des Gottes Arkondos legitimiert, um ihre Mitmenschen auszubeuten. Der Großteil des koldarischen Volkes lebt daher in Armut und Verzweiflung. Die Nicht-Magier machen Jagd auf Wildtiere, fällen Bäume für Brennholz, errichten prächtige, basaltene Wohnhäuser und verrichten viele weitere Dienste, ohne mehr als das Lebensnotwendigste dafür zu erhalten. Selbstzufrieden arbeitet Meruna derweil an der Vervollkommnung ihrer magischen Kräfte, bis ein grausamer Schicksalsschlag ihre gesamte Familie aus der Bahn wirft.

Der schmale Streifen Land namens Sturmbann, über dessen roter Erde die Naturgewalten aus Koldarun und Aeniria zusammen treffen und für verheerende Stürme und sintflutartige Regenfälle sorgen, trennte die beiden Kulturen jahrhundertelang voneinander. Wird dieses gefährliche Niemandsland die Völker ewig davon abhalten, einander zu begegnen? Was wird geschehen, sollten die egalitär denkenden Vegetarier Aenirias jemals auf die hierarchisch strukturierten Jäger Koldaruns treffen? Welche Rolle spielen dabei die Götter Arkondos und Siadria, die Ältestenräte der beiden Kulturen und nicht zuletzt die beiden jungen Magier Meruna und Elderas? In Sturmbann wird sich ihr aller Schicksal entscheiden …

 

Klappentext

Die Koldarin Meruna und der Aenire Elderas wissen nichts von der Existenz des jeweils anderen Volkes, obwohl sie in derselben Welt leben - in Naru. Ein schmaler, als lebensgefährlich verrufener Streifen Land namens Sturmbann trennt die Koldaren auf der unwirtlichen, vulkanischen Tagseite Narus von den Aeniren, die auf der nicht minder ungemütlichen, eiskalten Nachtseite der Welt leben. Doch dann mischen sich das Wetter, die Götter und zu allem Überfluss auch noch die Politiker - die Räte der Ältesten - in das Leben der Menschen ein. Beide Völker sehen sich gezwungen, das gefährliche Sturmbann, das sie mehr als alles andere fürchten, endlich zu erkunden. Meruna und Elderas stecken unfreiwillig mittendrin, als das Weltbild ihrer beiden Völker unwiderruflich erschüttert wird, und alle Geschichtsbücher von Grund auf umgeschrieben werden müssen.

Lieben Dank an die Autorin für das Zusenden eines Rezensionsexemplars im mobi.Format sowie eines webfähigen Covers.

Erscheinungsdatum: 4. Dezember 2014 (Wiederauflage)

Seitenzahl der Printausgabe: 723

Verlag: GD Publishing

Hier geht’s zum Buch: https://www.amazon.de/dp/B00QMIURH0

 

Angaben zum Autor (gemäß Amazon)

Anika Flock wurde im Jahr 1974 in Worms am Rhein geboren und schloss nach dem Abitur ein Studium der Diplom-Anglistik in Mannheim ab. Inzwischen lebt sie mit Mann und Tochter in ländlicher Umgebung in Schleswig-Holstein. Im Jahr 2005 erschien ihr erster Roman, "Die Kristallwandler", ein Fantasy-Epos, das philosophische Fragen zu kultureller Toleranz, dem gerechten Umgang mit großer Macht, und nicht zuletzt zum menschlichen Umgang mit Tieren aufwirft. Seit dem Jahr 1996 lebt die Autorin vegetarisch und seit dem Jahr 2002 vegan. Ihre Kurzgeschichtensammlung "Das Auge der Elster" beleuchtet aktuelle Tierrechtsthemen aus den Blickwinkeln der unterschiedlichsten Kreaturen.

 

Rezension – Wenn Träume einen das Leben lehren und das Überschreiten von Grenzen nicht nur den eigenen Horizont erweitert

Auf den Inhalt werde ich an dieser Stelle nur sehr kurz eingehen, da ich finde, dass sowohl der Klappentext als auch die Kurzbeschreibung des Romans bereits einen sehr guten Einblick in das Geschehen und die Thematik um ‚Die Kristallwandler‘ geben. In Anikas Roman geht es um das Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Kulturen, die sich einen Planeten teilen ohne von der Existenz der jeweils anderen Lebensform zu wissen. Diese zwei verschiedenen Völker besiedeln die Welt Naru und könnten dabei unterschiedlicher nicht sein. Da gebe es zum einen die Aeniren als ein Volk des Winters und der Nacht sowie zum anderen die Koldaren, die nur die Hitze des Sommers kennen und deren Geburtselement das Feuer ist. Mittendrin finden sich die beiden Helden des Romans – Elderas und Meruna – und sehen sich der Herausforderung gegenüber in einem dritten Reich, Sturmbann – ein Niemandsland – neue Gesellschaftsformen und die Neuordnung des Wissens zu entwickeln.

„Alles rückte sich zurecht, als rastete ein Schlüssel nach vielen Fehlversuchen endlich im richtigen Schloss ein.“

Elderas stammt dabei aus der Welt der Aeniren und ist seit seiner Geburt mit einem besonderen Mal gekennzeichnet, das ihn zum Enra macht. Ein Enra ist ein magisches Wesen, das die Macht des Wassers nutzen kann. Sein Mal charakterisiert sich durch einen blauen Kristall – auch Irandis genannt - , der schwebend vor seiner Brust gehalten wird und ihm seine Kräfte – durch die Göttin der Aeniren Siadria verliehen – offenbart. Elderas lebt in einer friedlichen, mit Natur und Tieren in Einklang stehenden, Welt. Die Bewohner der Nachtseite Narus leben in perfekter Symbiose mit ihrer Umwelt und richten dabei ihr gesamtes Verhalten nach den drei Grundprinzipien ihrer Göttin aus: Demut, Empathie und Vernunft. Von diesen Prinzipien geleitet sind die Enra, als auch die nicht magischen Bewohner – die Ridun, zu jenen auch Elderas‘ Bruder und treuer Beschützer Daremal gehört – dazu bestrebt, die Welt Naru zu erhalten und vor allen schädlichen Einflüssen zu bewahren. Einige Jahre vor seiner Volljährigkeit kommt Elderas aufgrund seiner telepathischen Fähigkeiten in den besonderen Genuss mit einigen wenigen anderen zusammen eine verfrühte Ausbildung zum Enrameister zu erhalten. Dies geschieht daher, da sich der aenirische Ältestenrat einer großen Bedrohung gegenüber sieht, die nach Vermutungen der erfahrensten Enrameister in dem Landgebiet hinter der Grenze zu ihrem Reich liegt. In der nahen Vergangenheit geriet ihre Welt des Winters und der Nacht immer weiter aus den Fugen und fand sich gravierenden Klimaveränderungen ausgesetzt, deren Ursprung es zu ergründen gilt. Diese Aufgabe fällt unter anderem Elderas, seinem Bruder und weiteren Auserwählten zu. Sie sollen bis nach Sturmbann vordringen und die Ursache finden, die ihre Welt ins Wanken geraten lässt. Dort angekommen, in einem Land ohne Schnee und Eis und dabei völliger Hitze ausgesetzt, sehen sich die Aeniren vielen Herausforderungen gegenüber. Zu diesen zählen nicht nur die Errichtung einer eigenen Siedlung, das Zurücklassen von Familie, Liebe und Freunden, sondern auch das Suchen nach Nahrung und das Aufeinandertreffen mit dem Unmöglichen…

 

Meruna hingegen stammt von der Seite der Welt, die von ewiger Sonne, Feuer und Lavaströmen bestimmt wird. Auch sie wird durch ein Geburtsmal als ein magisches Wesen, eine Lunro, gekennzeichnet. Ihr Kristall nennt sich Gehrun und ist anders als der Irandis der Aeniren nicht blau, sondern feuerrot. In ihrer Welt zählen nur Macht, Erfolg und die Unterwerfung der schwächeren, nicht magischen Bewohner. Diese nennen sich Eronni und haben die Aufgabe den Lunro Reichtum und Wohlstand zu verschaffen und zu dienen, während sie von diesen wiederum nur Ausbeutung und Brutalität erfahren. Der Gott der Lunro und Eronni ist Arkondos und durch ihn ist diese brutale und theokratische Weltordnung bestimmt. Es ist ein brutales Land, das geprägt ist von Mord, Verrat und Hinterhalt. Dies muss auch die junge Lunro Meruna bald auf brutalste Weise am eigenen Leib erfahren. So strebsam sie nach den Werten und Idealen der Lunro greift, so bitter wird ihre Welt erschüttert, als es zu einem großen Unglück kommt, das sie ins Gefängnis Kazarons führt. Dort merkt sie bald, wie es um das Machtbild der Lunro wirklich bestellt ist und freundet sich rasch mit einigen Eronni an. Ihre Sicht der Dinge ändert sich und sie erkennt so langsam die gnadenlose und brutale Ausbeutung der Eronni durch die Lunros als das Scheusal, das dieser Akt tatsächlich ist. In ihrem jugendlichen Leichtsinn hadert sie aber immer wieder in ihrem angeblichen Geburtsrecht zur Herrschaft und neigt zu Gewaltausbrüchen. Als sie dann noch in eine prekäre Situation mit dem obersten Aufseher des Gefängnisses gerät und ein eindeutiges Angebot ausschlägt, darüber hinaus sogar noch mehr mit einem bestimmten Eronni anbandelt, sind ihre Tage in Gefangenschaft gezählt. Auf Freiheit darf sie aber nicht hoffen, sie wird zusammen mit anderen Gefangenen und deren sowie ihrer Familie/n verstoßen und des Landes verbannt. Die Ausgestoßenen sollen nach Sturmbann ziehen und in Erfahrung bringen, ob dieses Stück Land den Lunros nutzbar gemacht werden kann oder dort eines jämmerlichen Todes sterben. Auch Meruna und ihre Koldaren erreichen Sturmbann auf schwierigem Wege und von Hindernissen und Gefahren übersät und schaffen es letztlich sich dort in einer eigenen Siedlung niederzulassen. Diese errichten die Ausgestoßen aber nicht nach den Werten und Prinzipien Arkondos und finden sich somit schon bald einer tödlichen Gefahr gegenüber. Diese wird noch verstärkt durch das Aufeinandertreffen mit den Aeniren, einer ihnen bisher gänzlich unbekannten Kultur, deren Sprache und andersartiges Aussehen sowie Nahrungsaufnahme nicht die einzige Kommunikationsgrenze zu sein scheint…

  • Es stellt sich die Frage, ob die beiden unterschiedlichen Kulturen, jene auch von einem unterschiedlichen Glauben und unterschiedlicher Lebensweise geprägt sind, einen friedvollen Umgang miteinander und Zugang zueinander bilden können?
  • Oder wird es zu einem Krieg der Nationen und Krieg der Götter kommen?
  • Wie lernen die beiden magischen Kreaturen – Meruna und Elderas – den jeweils anderen nicht zu fürchten, sondern zu respektieren?
  • Kann aus Respekt auch etwas wie Freundschaft werden, die scheinbar fest gezogene Grenzen aufweichen, gar überwinden kann?
  • Oder gibt es zu wenige Gemeinsamkeiten bei Bewohnern eines Planeten, die durch zu gravierende Verschiedenheiten voneinander entrückt wurden?

Mit ‚Die Kristallwandler‘ hat Anika eine fantastische Welt geschaffen, die hochphilosophische Themenfelder um die Frage des Glaubens, die untrennbaren Bande der Familie, die Politik und manchmal auch Verbohrtheit der Ältestenräte und die Macht der Elemente zweier unterschiedlicher Kulturen, beschreitet und versucht zu lösen. Sie schafft dabei eine Welt der Unterschiede, die wie Tag und Nacht ihre Bewohner bestimmt und doch in einem Kern gründen: Sie leben alle auf demselben Planeten, den es zu erhalten gilt. Sollte eine friedvolle Verständigung da nicht machbar und anzustreben sein? Die Charaktere, die sie über ihre Welt wandeln lässt sind dabei allesamt tiefgreifend und individuell ausgestaltet, ein jeder mit seinen eigenen Stärken und Schwächen und wirken trotz ihrer fantastischen und andersartigen Gestaltung aufgrund ihres Verhaltens auch in unserer Welt haptisch. Wir erleben mit ihnen mit, wie es ist, wenn das eigene Leben fremdbestimmt wurde und sich das Weltbild verrückt. Nicht nur klimatische Veränderungen zwingen sie dabei zum Umdenken und zur (Weiter-) Entwicklung ihrer Person und Lebensweisen. Dabei durchlaufen sie verschiedene Stufen und treffen immer wieder auf Unvorhergesehenes, das zunächst furchteinflößend erscheint. Wie Unbekanntes so oft ist, bis man es sich bekannt gemacht hat. Die ‚neue Welt‘ wird von ‚schrecklichen Monstern‘ beheimatet, so heißt es in ‚alten‘ Legenden (wie so oft, wenn man sich vor etwas Neuem fürchtet).

 

Wir als die Leser erleben diese Entwicklung und die sich herausarbeitende Lösung ihrer ‚Probleme‘ wie aktive Zuschauer mit und können dabei selbst eine farbenfrohe und unglaublich echt wirkende Welt der Gegensätze mit erforschen. Gerade in Sturmbann habe ich so etwas wie meinen eigenen Entdeckergeist entwickelt und es war unglaublich spannend, diesen Reisen über die eigenen Grenzen hinaus beizuwohnen. Dies war mir möglich, da Anika nicht nur herausragend atmosphärische Beschreibungen ihrer Fantasiewelt und eine beeindruckende Ausgestaltung dieser erschaffen hat, sondern auch bei der Länge des Romans, diesen durch eine sacht gesäte Prise an Humor und einen farbenfrohen Schreibstil, jener einen durch die langen Seiten des Buches trägt ohne einen zu erdrücken, alles in sich aufsaugen lässt. Das Cover des Romans ist dabei etwas ungewöhnlich gearbeitet, verdeutlicht aber schön die Thematik der zwei verschiedenen Kristalle, die im Geschehen der Geschichte ihre Anwendung finden. Zusätzlich zu einer Landkarte zu Beginn des Buches, die als ein wohldurchdachtes und schön gestaltetes Ad-On, das es dem Leser ermöglicht / erleichtert durch die Welt Naru zu finden und immer wieder neu in sie einzutauchen, bzw. das Geschehen auch geografisch nachvollziehen zu können, gibt es am Ende noch ein Wörterbuch mit den fremdartigsten Begriffen. Abschließend kann ich einfach sagen, dass Anika mit ihrem Buch eine wunderbar erdachte und tiefgreifende Welt geschaffen hat, die durch ausgereifte Charaktere glänzt sowie mit faszinierender perspektivischer Erzählung brilliert, jene ihre Lösung in dem Zusammentreffen der beiden Kulturen erfährt. Ich kann jedem Liebhaber von Fantasy-Romanen Anikas Werk nur empfehlen, denn es ist ein wahrer Genuss, der einen zusätzlich thematisch belehrt und noch nachdenklich stimmt, einen vieles ins echte Leben mitnehmen lässt. Was das ist? Lest selbst, dann erfahrt ihr es.

Nur einige Fragen bleiben zum Schluss leider ungelöst.

  • Woher kennen sich die beiden Götter?
  • Was wurde aus den ehemaligen Partnern?
  • Wie sieht die Strafe um Elderas aus?
  • Wie entwickeln sich die beiden Kulturen mit dem Wissen um die jeweils andere und der möglichen Bewirtschaftung Sturmbanns weiter?

Vielleicht ist dies bewusst so gewählt, um die Fantasie des Lesers zu fordern oder auf eine mögliche (bisher nicht vorgesehene?) Fortsetzung vorzubereiten. Der wunderbaren Geschichte tun diese aber keinen Abbruch.

Eure Jil Aimée