Buchvorstellung – Die Luft da oben – Pauline Keller

20.12.2015 11:15

Kurzbeschreibung

War es früher anders? Gab es eine Zeit, in der Lena dazugehörte? Eine Zeit, in der sie normal war, nicht auffiel? Eine Zeit, in der sie „hineinpasste"? Lenas Geschichte packt: mit Eltern, die drücken, drängen und mit "den anderen" vergleichen. Packt mit Verena, der besten Freundin -. die keine Freundin ist, mit dem Schwager Manfred, einem Mister Oberwichtig, Pascha und spackig bis dorthinaus. Mit Christian, Lenas Freund, der für sie da ist, was auch passiert. Doch vor allem packt Lenas Größe, 1 Meter und 82 Zentimeter, die sich zwischen sie und andere Menschen zwängen. 1 Meter und 82 Zentimeter, die sie immer wieder aufs Neue verletzen. Aufrichtig und mit schwarzem Humor erzählt "Die Luft da oben" von einer Außenseiterin. Es gelingt der Autorin, einen unsichtbaren Gegner sichtbar werden zu lassen - den mächtigsten Gegner, den ein junger Mensch haben kann: sich selbst.

„Lena, wie ist die Luft da oben?“ – Lena ist die lange Latte. Verfluchte 1 Meter und 82 Zentimeter groß. Was hat sie deshalb nicht schon alles abgekriegt! – Vor allem von sich selbst. Ihre Geschichte zeigt, was subjektive Realität, was verzerrte Wahrnehmung bedeutet. Zuletzt jedoch spielt ein Klassentreffen eine entscheidende Rolle. Und das, obwohl Lena sich am liebsten davor gedrückt hätte…

Erscheinungsdatum: 22. April 2015

Seitenzahl der Printausgabe: 244

Verlag: Books on Demand

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Angaben zum Autor

Pauline Keller lebt mit Mann und Hund in Mainfranken.

Kurzinterview

Liebe Pauline, vielen lieben Dank an Dich und das Team von BoD, dass ihr mich auf dieses wunderschöne Buch gestoßen habt und mir die Möglichkeit gebt, darin abzutauchen. Aber nun mal ‚Butter bei die Fische‘: Wie bist Du auf die Idee zu dieser Geschichte gekommen?

Wie ich dazu gekommen bin, ‚Die Luft da oben‘ zu schreiben? Ich kann es gar nicht genau beantworten. Es war so eine Bauchsache: irgendwann saß ich am Computer und die Geschichte kam einfach aus mir heraus. Wenn ich's mir recht überlege, sind bei mir die wirklich wichtigen Entscheidungen meist aus dem Bauch heraus getroffen. Ich bin zwar ein Menschen, der alles von vorne und hinten, oben und unten, rechts und links ... durchgrübelt, aber wenn's darauf ankommt, ist doch mein Bauch zur Stelle und ich spüre, was richtig ist. Ganz ähnlich war's auch, als ich Ideen und Bilder für das Cover des Buches gesucht habe. Ich habe überlegt und gestaltet und gemalt, bis ich plötzlich dieses Giraffen-Bild gesehen habe und wusste: DAS IST ES! Würfel gefallen, fertig, ich muss nicht länger suchen. :-)

Wow, was für eine Geschichte zu Deiner Geschichte, Liebes. Klasse. Ich bin übrigens auch so ein Bauch- und Gefühlsmensch und gleichzeitig organisierter Zerdenker :-). Der Titel Deines Buches ist recht ungewöhnlich und die unterschiedlichsten Assoziationen hervorrufend. Ich liebe ihn ja, aber wie genau ist er denn zu Dir gekommen?

Der Titel des Buches ergab sich aus Situationen, in die Lena gerät: Sie wird wegen ihrer Größe im Spott gefragt: ‚Wie ist die Luft da oben?‘. Und da der Roman aus ihrer Sicht geschrieben ist, stand so irgendwann auch der Titel fest.

Wie es eben manchmal so geht, nicht wahr? Die Dinge entwickeln sich, auch ohne dass man es aktiv bemerkt, und – zack – irgendwann sieht man es dann klar vor Augen. Ich danke Dir, Liebes, für diese ehrlichen und schönen Antworten. Magst Du uns zum Schluss noch etwas zu Deiner Person verraten? Was liest Du gerne?

Ich selbst lese alles, was mir in die Finger gerät: Von Shampoo- und Gesichtscreme-Etiketten, während ich im Bad stehe und mir die Zähne putze, über Biographien und Frauenromanen bis hin zu Klassikern (wobei Rilkes Sprachklang und -melodie oft mein Favorit ist). Momentan habe ich meine Jugendbuchphase und komme stapelweise mit Büchern nach Hause. Gerade habe ich ‚Glücksdrachenzeit‘ von Katrin Zipse beendet. Absolut toll!!! Ich fand die Geschichte genauso wunderschön wie das Cover - und das, wo ich alles mit Pünktchen einfach LIEBE!!! :-) Zum Einschlafen stecken mir dann noch oft ‚Die drei ???‘ im Ohr.

Mein erster Eindruck und Erwartungen an das Buch

Als Pauline mich angefragt hat, ob ihr Buch etwas für mich sein könnte, habe ich mich sehr gefreut. Aus unterschiedlichen Gründen. Zunächst einmal war Paulines Art mich anzuschreiben einfach erfrischend ehrlich, herzlich und ich spürte direkt, dass sie sich mit meinem Blog befasst hat. Eine Tatsache, die heute nur noch sehr selten passiert. Umso schöner ist es, wenn einem ein Autor begegnet, der sich mit Deinem Blog auskennt, Dir seinen Eindruck übermittelt und Deine Art zu rezensieren und zu bloggen zu schätzen weiß. Bei Pauline traf all dies auf Anhieb zu und wir haben uns auch auf persönlicher Ebene direkt verstanden. Sie ist einfach unglaublich herzlich, verständnisvoll und es macht Spaß mit ihr in Kontakt zu sein. Ein weiterer Grund, der Lust auf ihr Buch gemacht hat, ist der Roman selbst. Sowohl der Titel als auch das schlichte blaue Cover mit der bildhübschen Giraffe sind ungewöhnlich und ecken an. Auf eine positive Art. ‚Die Luft da oben‘ weckte die unterschiedlichsten Ideen und Reaktionen in mir. Von einer Piloten- oder Heißluftballonfahrergeschichte, über eine Familie im Himalaya lebend, bis hin zu dem Gedanken an die Herausforderungen des privaten Lebens der Upperclass oder eines Aktienfondsmanagers. All das hätte ihr Buch für mich auf den ersten Eindruck hin bedeuten können.

„Verborgen unter der schillernden Ausgeh-Fassade stecken vergretelte Still-BHs, monatelanges Schlafdefizit und Schwangerschaftsstreifen.“

(Random Quote / Seite 66)

Doch es kommt besser. Wie der Klappentext bereits andeutet, wird hier ein sehr ernstes Thema auf eine lockere und dafür nicht minder ergreifende Weise ergründet: ein groß gewachsenes Mädchen, dass nicht nur unter dem Spott der Gesellschaft und ihrer nahen Mitmenschen leidet, sondern auch unter ihrer eigenen verzerrten Selbstwahrnehmung und dem sich selbst dadurch auferlegten Druck. Es ist ein heikles Thema, das heutzutage in der schnellen Welt der Medien und uns vorgelebten Idealen umso präsenter ist. Lena ist ein Spott- und Mobbingopfer. Zunächst voller Selbstzweifel und mit einem praktisch kaum vorhandenen Selbstwertgefühl.

 

„Das wird ja immer besser. Ich bin glücklich und du findest das schade? Vielen Dank.“

(Random Quote / Seite 219)

Sie muss erst noch lernen, was es heißt, sich selbst zu lieben und zu akzeptieren und wie wichtig es ist, ihr Selbstvertrauen neu zu erlernen. Dies ist zumindest mein erster Eindruck, nachdem ich schon einmal einen kurzen Blick in die ersten Seiten geworfen habe. Der aber für mich entscheidende Grund, dieses Buch in mein Leserherz zu lassen, ist ein persönlicher: Ich bin mit einer Hauterkrankung (schwere Form der Neurodermitis u.a.) geboren worden. Die ersten Jahre meines Lebens konnte ich daher nicht normal essen. Es standen jeden Tag über Jahre nur leichte Kost, Diätmahlzeiten und und und auf dem Speiseplan. Daher war ich zunächst recht zierlich. Dennoch war meine Haut durch viele Male gezeichnet und durch das ständige Kratzen gereizt. Als kleines Kind kam ich noch recht gut damit zurecht. Später allerdings war es für mich schon schwer, neben den körperlichen Schmerzen, auch die Blicke der anderen ertragen zu können und Nein sagen zu müssen, wenn andere Kinder Schokonikoläuse essen durften. Doch ich hatte großes Glück: liebe Eltern, die besten Großeltern und die allerbesten Freunde. Nach ein paar Jahren ist die sichtbare Erkrankung nahezu komplett verschwunden. Nur noch in enormen Stresssituationen macht sie sich leicht bemerkbar. Auch mein Hautbild hat sich recht gut erholt, auch wenn gewisse Male für einen Kenner sicher bemerkbar sind. Die Zeit, in der es mir endlich wieder gutging, war einer der schönsten Momente meines Lebens. Auch deshalb, weil ich von den Ärzten endlich das Go bekam, normal essen zu dürfen. Leider war dies mein Körper aber nicht gewohnt, und hat sehr schnell sehr viel an Gewicht zugelegt, was mich mit Jahren voller Spott von einigen Mitschülern begleitet hat. Doch ich habe versucht, das nicht zu sehr an mich ranzulassen. Als ich in den späten Teeniejahren dann wieder abgenommen habe und seitdem so aussehe wie jetzt :-), waren es genau diese Mitschüler - die mich zunächst wegen des ‚zu viel an Gewicht‘ verspottet hatten - nun auch jene, denen ich auf einmal ‚zu dünn‘ war. But I toughened up. Und habe seitdem eine enorme Portion an Selbstvertrauen aufgebaut und mich nicht unterkriegen lassen. Und ich denke, ich bin mittlerweile so zufrieden mit mir, meinem Körper und meiner Person, wie man es eben nur sein kann. Auch wenn der Weg dorthin kein leichter war. Ich hoffe, ihr verzeiht mir diesen kleinen Rückblick und das Persönliche, aber es war für mich der Hauptgrund, Paulines Buch zu begegnen und ich bin schon sehr gespannt darauf, es nun komplett zu lesen.

„Dann mache auch ich mich vom Acker. Ich spurte die weihnachtlichen Straßen hinab, […]und lausche angestrengt dem Lärm, der in der Fußgängerzone herrscht.“

(Random Quote / Seite 136)

Manchmal muss man über seinen eigenen Schatten springen und sich Dinge trauen, die zunächst unvorstellbar erscheinen. Man muss die Augen öffnen, um über den eigenen Tellerrand und den der anderen blicken zu können. Und am Ende wird man sich selbst finden! In so vielen Dingen, Begegnungen und auch Menschen. Jeder ist anders, jeder ist einzigartig und das ist auch gut so. Ich denke, dass es Lena in dieser Hinsicht innerhalb des Romans auch schaffen wird, einen Weg zur eigenen ‚Heilung‘ zu finden und das auch ihre Mitmenschen lernen, ihren eigenen Horizont zu erweitern, anstatt einfach ohne Kenntnis zu urteilen. Manchmal helfen schicksalhafte und unverhoffte Begegnungen dabei. Ich bin gespannt, ob es Lena so ergehen wird.

Ich erwarte also einen erfrischend anderen Roman, der mit einem ernsten Thema samt tieferem Sinn in einer humorvollen und selbstkritischen Art trumpft und packen wird. Und ich denke, dass meine Erwartungen erfüllt werden. Ich empfehle es Euch von Herzen und wünsche Euch einen schönen 4. Advent.

Eure Jil Aimée