Rezension - Der kleine Laden der einsamen Herzen – Annie Darling

06.06.2017 19:14

Kurzbeschreibung

Posy Morland hatte es immer schwer im Leben. Als sie einen kleinen, heruntergekommenen Buchladen in Bloomsbury erbt, scheint sich ihr Glück endlich zu wenden. Sie plant, den Laden neu zu eröffnen und dort nur Liebesromane mit Happy Ends zu verkaufen. Denn traurige Geschichten gibt es im wahren Leben ja genug. Doch Sebastian, der Enkel der verstorbenen Besitzerin, hat andere Pläne für den Laden und legt Posy Steine in den Weg, wo er nur kann. Dummerweise ist Sebastian auch schrecklich attraktiv – und der unverschämteste Kerl in ganz London. Findet zumindest Posy. Und rächt sich auf ihre Weise: Sie schreibt selbst einen Roman namens Der Wüstling, der mein Herz stahl – mit Sebastian als Held zum Verlieben ...

Erscheinungsdatum: 9. Mai 2017 (deutsche Erstausgabe) / ‚The Little Bookshop of Lonely Hearts‘ (2016, HarperCollins, London)

Seitenzahl der Printausgabe: 400

Verlag: Penguin Verlag

ISBN-10: 3328100989

ISBN-13: 978-3328100980

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Danke an die Verlagsgruppe Random House für das Zusenden eines Rezensionsexemplars. Dieser Umstand hat keinen Einfluss auf meine Bewertung.

Angaben zum Autor

Annie Darling lebt in einer winzigen Londoner Wohnung, in der man vor lauter Bücherstapeln kaum treten kann. Ihre großen Leidenschaften sind Liebesromane und ihre Katze. "Der kleine Laden der einsamen Herzen" ist Annie Darlings Debüt in deutscher Sprache und der Beginn einer Reihe um einen wunderbaren kleinen Laden in Bloomsbury.

Rezension – Einsame Zweisamkeit oder wie ein Buchladen zurück ins Leben findet

Da die Buchbeschreibung schon sehr aussagekräftig ist, gebe ich diesmal keinen inhaltlichen Abriss in meinen eigenen Worten wieder, er würde einfach zu viel an Wendung und Spannung vorwegnehmen, sondern komme direkt zu den Punkten, die für mich die Geschichte bestimmt haben. Vorab: Die Grundidee der Story sowie der Austragungsort in einer Buchhandlung haben mich sehr neugierig gestimmt und das Buch im Nu verschlingen lassen. Inhaltlich ist es durchaus ausbaufähig, dennoch aber überzeugend und eine Liebesgeschichte samt Ode an die Welt der Bücher, die mein Leserherz berührt und mir eine Gänsehaut beschert hat. Dennoch, das Buch hat mich gespalten. Es gab so viele Dinge, die ich liebte und doch auch einiges, das mich nahezu verzweifeln ließ. Warum das so ist, versuche ich Euch nun näherzubringen.

Als Einstieg in die Geschichte wurde die Trauerfeier der ehemaligen Inhaberin von Bookends, der Buchhandlung des Romans, gewählt. Das ist natürlich gewagt, da direkt mit dem tragischsten Mittel schlechthin gestartet wird: dem Tod einer geliebten Person. Emotional ergreifend, Tränen rollen ziemlich schnell, weil man Lavinia gerne kennengelernt hätte, und sprachlich absolut gelungen, weil man nun umso mehr wissen möchte, was es mit der Geschichte auf sich hat.

Dazu werde ich aber inhaltlich, wie schon geschrieben, wirklich nichts verraten, sonst nehme ich euch ein Stück weit das ansonsten garantierten Lesevergnügen. Daher kommen wir direkt zu den Protagonisten Posy und Sebastian. Posy ist eine starke Frau, die sich nur allzu oft hinter vermeintlicher Unsicherheit versteckt. Zumindest war es für mich beim Lesen so. Weil es bequemer ist, Dinge nicht angehen zu müssen. Bis man es oder, besser gesagt, bis Posy es eben doch muss. Sei es die Verarbeitung von Verlust oder das Ergreifen neuer Chancen und Herausforderungen, so beängstigend sie auch sein mögen. Posy ist ein sehr liebenswerter Charakter, in den die Autorin eine ordentliche Schippe an Gefühl gelegt hat. Sie hatte es nicht immer leicht und das merkt man in jeder ihrer Handlungen. Dennoch ist sie von Natur her aufopferungsvoll und stark. Versteckt das eben nur gerne. Sie hat mit ihrem gut durchmischten Buchladenteam eine tolle Truppe an Freunden, die sowohl jedes Liebesromanklischee als auch jede Erwartung an beste Freunde erfüllen. Das gibt dem Buch ein gutes Stück Identifikationsfähigkeit für die Leser. Man lebt, liest, liebt mit. Sebastian ist der reiche Unternehmer. Typisch hübsch, augenscheinlich arrogant, doch mit einer geheimen Hilfsbereitschaft und Unterstützungsgabe, die wir erst im Verlauf der Geschichte entschlüsseln. Damit sind sie wie Feuer und Wasser und versprechen die perfekt Kombination für ein aufregendes Liebesabenteuer und einen Aufeinanderknall, der keine Wünsche offen lässt.

Inhaltich ist ihr Zusammenprall durchaus prickelnd und romantisch süß geschrieben. Einige Szenen, vor allem die emotionalen Passagen, hätten jedoch den ein oder anderen Ausbau verdient. Auch gerade, um die einzelnen Beziehungsstränge besser verknüpfen und verstehen zu können. Gerade das Ende kam mir dann doch zu gehetzt und auch trotz des Genres zu übertrieben vor. Den Realismus, den ich sonst durchweg spüren konnte beim Lesen – als wäre es eine Geschichte aus dem echten Leben –, vermisste ich gen Ende doch sehr, da es sich dort aufgrund des wenigen Raumes, der zur Entfaltung gelassen wurde, doch sehr übersteigerte. Das war mir dann doch einfach zu wenig am Ende gefeilt.

Nebenthematisch wird gut das Dasein heutiger Buchhandlungen, die nicht Teil einer Kette sind, beschrieben und ihr Kampf ums Überleben, den Druck von außen sowie die Herausforderungen erörtert. Auch lässt die Autorin gekonnt große literarische Titel und Zitate in die Aussagen der Charaktere mit einfließen und schenkt somit dem Leben in der Buchhandlung ein Stück Authentizität. Lässt es zumindest in der Vorstellung echt und greifbar werden. Das hat mir sehr gefallen. Ab und an wiederholten sich einige Passagen und Floskeln vielleicht etwas zu sehr, aber das spreche ich der Buchhandlung als Schauplatz des Geschehens zu und es hat mich weniger gestört. Die kurzen Kapitelunterbrechungen durch den der Protagonisten im Buch selbst geschriebenen Roman empfand ich als sehr erfrischend, weil er das Auge mal weg vom eigentlichen Geschehen lenkte und dennoch aufzeigte, wie sehr ihr Sebastian mit seiner Art unter die Haut ging, sodass sie ihn unterbewusst zum Objekt ihrer Begierde gemacht hat, bevor sie bewusst das eigens Verschriftlichte als solches überhaupt erkannte. Natürlich war der eigentliche Erzählstrang um das Fortleben der Buchhandlung und auch um die Beziehungswelt Posys und Sebastians durchaus vorhersehbar, dennoch war er durch einige überspitzte und sehr flüssig geschriebene Dialoge und die ein oder andere unverhoffte Wendung überraschend frisch und unterhaltend gestaltet. Auch der Schreibstil konnte mich überzeugen, wollte ich das Buch nicht wirklich aus der Hand legen. Herausfordernd waren jedoch das Eigenleben und die Charakterzüge der durchaus störrischen Protagonisten. So bin ich beim Lesen so manches Mal an ihnen verzweifelt, hätte sie gerne geschüttelt, auf den rechten Weg gerückt. Ihnen auch gerne den Kopf gewaschen. Wo ich die überspitzten Bemerkungen hier und da belebend fand, so nervten mich das ‚duck-mich-weg‘-Verhalten in Kombination mit ihrer Dauergereiztheit von der sonst doch recht tough dargestellten Posy und das vermeintlich arrogante Dasein Sebastians zunehmend. Zum Glück hat sich das im letzten Drittel dann aber geändert und für wahre Gefühle wurde Platz gemacht und die Kurve wurde literarisch bewusst in eine andere Richtung gelenkt.

„Allmählich wurde es Zeit, Schluss zu machen, bevor Posy noch endgültig die Lust verlor – nicht nur an dem Brainstorming, sondern am Leben im Allgemeinem.“

Kommen wir nun zum Cover. Es ist ansprechend und relativ farbenfroh, vor allem aber passend für einen Liebesroman gestaltet. Der Schriftzug des Titels kommt in Lila- und Pinktönen daher, wirkt geprägt und glänzt, was es einerseits positiv kitschig und andererseits edel erscheinen lässt. Der weiß-blau gestreifte Hintergrund verkörpert für mich eine Sonnenmarkise, wie ich sie mir auch an einem Buchladen vorstellen könnte, um die Auslagen vor zu starkem Sonneneinfall zu schützen. Bekräftigt wird dies durch eine Lichterkette am unteren Rand. Auch die liebevoll ins Cover eingebauten Protas unterstützen das Gesamtbild eines perfekten Liebesromans nach optischen Gesichtspunkten. Was den Buchumschlag bzw. Einband angeht, hätte ich mir eine etwas stabilere Qualität gewünscht, da auch bei sehr vorsichtigem Lesen schnell Knicke in den Buchrücken kommen und sich der metallische Schriftzug vor allem in der Hitze schnell abgreift. Kleiner Minuspunkt, ein Cover in den Farben von Happy Ends hätte ich noch treffender gefunden.

Den Titel ‚Der kleine Laden der einsamen Herzen‘ finde ich für den Inhalt und Hauptort des Geschehens sehr gelungen. Auch gefällt mir, dass die deutsche Übersetzung in diesem Fall sehr nah am Original geblieben ist. Es ist einfach ein Titel der Schwung und Klang hat, der unter die Haut geht und direkt die Vorstellungskraft des Lesers anregt, was Hand in Hand mit dem gelungenen und neugierig machenden Klappentext geht. Außerdem passt es zum Inhalt der Geschichte und es lässt auf eine Entwicklung in eine glücklichere Richtung hoffen, bei der man nicht enttäuscht wird.

„Morland, bis du endlich mal auf den Punkt kommst, bin ich alt und grau.“

Trotz der Irrungen und Wirrungen, die ich ab und an beim Lesen empfand, hat es ansonsten großes Potenzial, ein Lieblingsbuch zu werden. Eben weil es mich dennoch und vollkommen unerwartet im Herzen getroffen hat. Sei es der Wortwitz, die Liebe zum Buch oder die süße junge und durchaus kampfeslustige Liebe. Und das ist doch das Wichtigste beim Lesen. Dass es etwas in dir berührt und dich in die Geschichte wünscht, als wärst du ein Teil von ihr. Und so erging es mir wirklich. Außerdem liebe ich es, dass Bookends Umbau Posy quasi zurück ins Leben holt und dass Sebastian bewusst unterschwellig dazu die richtigen Impulse gesetzt hat. Ein Buch, das mich gespalten hat, aber am Ende versöhnt zurücklässt und das ich sehr gerne weiterempfehle.

Eure Jil Aimée