Rezension - Homo Vitrus - Jan Uhlemann

20.04.2015 16:15

Rezension – Homo Vitrus – Jan Uhlemann

Kurzbeschreibung

Manchmal hat eine kleine Entdeckung gewaltige Folgen. Ein Erdbeben überrascht zwei Freunde beim Tauchen im Schwarzen Schlund, einem düsteren See tief im Odenwald. Während Bernd sich nach oben retten kann, verirrt sich der draufgängerische Tom durch einen frisch aufgebrochenen Zugang in ein unbekanntes Höhlensystem. Was er hier findet, wird Wellen schlagen und nicht nur die Freundschaft der beiden, sondern auch die Wissenschaft und das menschliche Selbstverständnis vor eine Herausforderung stellen...

Erscheinungsdatum: 18. Januar 2015

Seitenzahl der Printausgabe: 276 Seiten

Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform; Auflage: 1 (18. Januar 2015)

Angaben zum Autor (gemäß Amazon)

Geboren wurde ich 1977 und lebe seit 2013 in Butzbach. Ich habe Geographie, Geschichte, Soziologie und Philosophie studiert und 2005 meinen Magister gemacht. Seitdem arbeite ich als Freiberufler. Mit meinen Büchern möchte ich den Leser in eine andere Welt mitnehmen, unterhalten und ein bisschen zum Nachdenken anregen. Ich freue mich immer über Rückmeldungen, Kommentare und Kritik! So weiß ich, wie meine Geschichten ankommen und bekomme Anregungen, wie ich mich verbessern kann.

Weitere Informationen findet ihr unter: www.januhlemann.net

Homo Vitrus findet ihr hier: https://www.amazon.de/dp/150617745X

Lieben Dank an den Autor für die Zusendung eines Rezensionsexemplars.

 

Rezension: Die Moral vermag es stets das eigene Gemüt zu erschauern

 

„Weder die stärkste Spezies überlebt, noch die intelligenteste, sondern diejenige, die sich Veränderungen am besten anpasst.“

(~ Charles Darwin)

Dieses Zitat geht der Geschichte voran. Dass es mehr als treffend gewählt ist, wird einem in ihrem Verlauf deutlich. Aber nun einmal ganz kurz zum Inhalt:

Die besten Freunde Bernd (Wissenschaftler) und Tom (Hausmeister) verbindet seit Kindheitstagen eine gewisse Abenteuerlust. Der eine wird mehr aus wissenschaftlichen Gründen zu dieser angehalten und der andere mehr aus dem Drang, mit einer Entdeckung den ganz großen Ruhm und Nervenkitzel zu erlangen. Und genau dies passiert beiden mehr oder weniger, als sie bei einem Tauchgang im Schwarzen Schlund durch ein Erdbeben in Gefahr geraten. Durch eben dieses Beben wird der Zugang zu einer mehrere Jahrtausende alten Unterwasserhöhle – besser gesagt ein ganzes Höhlensystem - geöffnet und der wagemutige Tom traut sich als Erster hinein. Was er dort entdeckt, wird Wissenschaft, Welt und seine Freundschaft zu Bernd auf den Kopf und eine harte Probe stellen. Aber was genau ist dieses Unbekannte, dass durch das Beben offenbart wurde? Es handelt sich um eine Menschenrasse, die sich parallel zum Homo Sapiens (aka wir Menschen) entwickelt zu haben scheint und sich den natürlichen Begebenheiten in einer Höhle durch den Verlust des Augenlichtes, Ernährungsumstellung und durchscheinende Haut über eine lange Zeitspanne hinweg angepasst hat. Diese ‚Glas-Menschen‘ haben eine enorme Kultur und sie ernähren sich (fast) ausschließlich von einer bisher unbekannten Pilzart. Mit dieser Entdeckung wird ein menschlicher Reichtum offengelegt, an jenem sich im Fortgang der Geschichte nicht nur der/die Entdecker, sondern auch der internationale Firmengeist, die Industrie und Politik als auch allen voran die Sensationssucht von den Medien und ein korrupter Professor bereichern wollen. Dabei kommen Emotionen und Menschlichkeit zu kurz.

  • Oder schafft es die Menschheit über ihren eigenen Schatten zu springen?
  • Wird es eine Zukunft für dieses fremde Volk geben oder fällt es der medialen und industriellen Ausschlachtung zum Opfer?
  • Können die Entdecker selbst die beiden Welten vor dem größten Übel bewahren, dessen Vorbote sie selbst waren?
  • Können Moral, Wissenschaft und Menschlichkeit wieder vereint werden?
  • Und wie passt eine sich langsam aufbauende Beziehung Toms zu einer Reporterin in diese Geschichte und hat diese überhaupt eine Zukunft auf Bestand in einer Welt, in der jener nur auf seinen eigenen Vorteil aus scheint?
  • Lest und erfahrt es selbst.

„Na ja, seit wir klein sind, unternehmen wir zusammen verrückte Dinge, die kein normaler Mensch machen würde, wie Wanderungen und Tauchgänge.“

Mit ‚Homo Vitrus‘ – der gläserne Mensch - hat Jan Uhlemann eine außergewöhnliche Geschichte um einen ebenso ungewöhnlichen Schauplatz in Form eines Höhlensystems geschrieben, die gleichermaßen fesselnd und spannend, wie auch ergreifend und wachrüttelnd ist. Das deshalb, da im Verlauf der Geschichte immer wieder eine gewisse Gesellschaftskritik und Auseinandersetzung mit dem politischen Machtgefüge geführt wird, wie man es sich im Hinblick auf die Entdeckung einer wissenschaftlichen Sensation durchaus vorstellen kann. Zudem verknüpft der Autor die fantastische Geschichte um die ‚neue‘ Menschenrasse mit der Idylle im Odenwald, was der Erzählung einen gewissen Heimatcharakter gibt und sie ins Reale zieht. Dies zusammen mit der Faszination über das ‚Nichtvorstellbare‘ und dem Abenteuer der Entdeckung an sich, machen es für mich schwer, der Geschichte ein eindeutiges Genre zuzuordnen. Es finden sich einfach viele unterschiedliche Facetten in ihr wider, von Krimi / Spannung, Abenteuer / Fantasy hin zu echten Emotionen und dem Weltgeschehen. Eine Tatsache, jene die Geschichte umso wertvoller gestaltet. Es muss nicht immer alles explizit zugeordnet werden können. Das lässt sich vielleicht auch ein klein wenig auf die Entdeckung des Homo Vitrus und seiner physischen Zuordnung innerhalb der Geschichte übertragen. Menschen möchten aber gerne Schubladen bilden, denn da wirkt das Unbekannte weniger bedrohlich.

„Mit dem durchsichtigen Menschen. Dem gläsernen. Homo Vitrus. Ja, das wäre ein passender wissenschaftlicher Ausdruck, […].‘

Nur diese Stempel, die die Gesellschaft aufdrückt, können auch die tatsächliche Realität verrücken. Genau dieser Gedankengang hat mich beim Lesen des Romans erfasst und zu den bereits genannten anderen Themen durch die ganze Geschichte hindurch begleitet. Man sollte einfach selbst hinsehen und sich nicht durch das, was einem oft versucht wird zu vermitteln, blenden lassen. Dies ist auch ein Punkt, der den Hauptcharakter Tom im Fortschritt der Erzählung packt und dazu führt, dass er sich von einem anfangs weniger sympathischen, da nur Ruhm begeisterten, Menschen zu einem offenen und rücksichtnehmenden starken Charakter bildet. Generell findet eine enorme Entwicklung der Charaktere im Fortgang der Geschichte und auch Belehrung dieser statt. Die Prota- und Antagonisten sind lebendig gestaltet und durchleben typisch menschliche Konflikte und Auseinandersetzungen in breitem Spektrum. Mal geht es um den Kampf um Wissenschaft und Freundschaft, mal um jenen von der Liebe gegen die Sensationsgier. Allen wohnt die eine Grundfrage inne, wie weit man selbst bereit wäre zu gehen, um ein gewisses Ziel zu erreichen. Ganz gleich ob es um Ruhm, Biologie, Liebe oder den Verzicht auf eines dieser Dinge geht. Der eigene Kampf mit den inneren Konflikten begegnet einem stetig. Für mich ein besonders ansprechender Punkt innerhalb dieses Romans. So auch meinem Lieblingscharakter Zia. Sie, als eine Urmenschin, der alles fremd ist, schafft es, sich über vielleicht ‚veraltete‘ Konventionen zu erheben und Neues zu wagen. Zu welchem Ziel und Preis wird an dieser Stelle nicht verraten, denn die Geschichte ist es wert, dass ihr sie lest.

Der Schreibstil des Autors ist plastisch und prägnant und bildet einen angenehmen Spannungsbogen. Er macht keine langen Umschweife, sondern kommt direkt auf den Punkt des Geschehens. Dabei gestaltet er seine gewählten Schauplätze sehr visuell und detailverliebt, sodass es dem Leser leicht fällt, sich in das Geschehen zu fügen und mitziehen zu lassen. Besonders zu betonen ist dabei die Ausgeklügeltheit, in jener der Autor eine neue Menschenrasse, deren gedankliches wie physisches Universum und deren Kommunikationswege kreiert und erdacht hat. Meinen großen Respekt. Die Welt des Homo Vitrus ist einfach schön und authentisch zugleich beschrieben, ohne einen dabei mit einer Fülle an Informationen zu überladen oder wichtige vorzuenthalten. Man entdeckt parallel mit und entwickelt eine gewisse Abenteuerlust, jene mit der Lektüre befriedigt wird. Lediglich gegen Ende wurde ich beim Lesen etwas gehetzt und konnte nicht mehr so entspannt und gespannt zugleich die Geschichte wahrnehmen. Dies ist aber im Vergleich zum Rest eine eher kleine Kritik und nicht weiter schlimm. Da es kein Happy End gibt, denn im wahren Leben gibt es das auch nicht immer, wird man mehr als nur nachdenklich über das Verhalten der Menschen und die Macht ihrer Abgründe gestimmt. Wie es ausgeht, verrate ich natürlich nicht. Aber seid gewiss, ihr werdet überrascht.

Das Cover und der Titel versprechen, was die Geschichte hält: ein facettenreiches Abenteuer, das Fremde zu Freunden macht und der Welt einen Spiegel vorhält. Der Titel des Buches ist sehr passend gewählt und erweckt Neugierde über das, was da kommen mag. Das Cover an sich vermittelt mir persönlich einen Ausblick auf den wichtigsten Schauplatz der Geschichte, auch wenn ich es sonst etwas zu düster umrandet gehalten finde.

Abschließend kann ich euch diese etwas andere Geschichte mehr als nur ans Herz legen. Meinem Mann habe ich sie übrigens auch empfohlen, obgleich wir unterschiedliche Lesegeschmäcker hegen. Doch in ‚Homo Vitrus‘ wird für jeden etwas zu finden sein, dass er aus dieser Erzählung mitnimmt. Eine fantastisch real wirkende Abenteuergeschichte mit dem Hauch an Drama und Gesellschaftskritik, der sie mehr als nur lesenswert macht.

 

Eure Jil Aimée