Rezension – Shai'lanhal– Susanne Gavénis

02.09.2016 10:05

Kurzbeschreibung

Shaan wäre gern ein ganz gewöhnlicher Junge, doch das Schicksal hat ihm einen anderen Weg vorherbestimmt: Er ist der Shai'lanhal, der Beschützer der Lanhal, der Inkarnation des Guten, die alle zwanzig Generationen in Gestalt eines gewöhnlichen Mädchens wiedergeboren wird.
In einer alles entscheidenden Schlacht wird die Lanhal mit dem Yinyal, der Verkörperung des Bösen, um die Zukunft der Menschheit ringen, doch solange ihre wahre Macht noch nicht erwacht ist, ist die Lanhal allen Angriffen schutzlos ausgeliefert.
Mit seiner Fähigkeit, Wind und Wasser zu beherrschen, muss Shaan sie vor seiner schrecklichen Gegenspielerin beschützen, die ebenfalls über zwei Elemente gebietet – Feuer und Erde.
Angesichts der unvorstellbaren Grausamkeit seiner Gegnerin kommen Shaan jedoch schnell Zweifel, ob er seiner Aufgabe tatsächlich gewachsen ist. Nur eines ist sicher: Sollte er versagen, wird nicht nur die Lanhal sterben, sondern die ganze Welt für die nächsten vierhundert Jahre in Dunkelheit versinken.
 

Erscheinungsdatum: 7. April 2016

Seitenzahl der Printausgabe: 590

Verlag / Verkauf durch: Susanne Gavénis; Auflage: 3 (7. April 2016)/ Amazon Media EU S.à r.l.

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An dieser Stelle geht ein ganz lieber Dank an die Autorin für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplars und eines webfähigen Covers. Dieses beeinflusst in keiner Weise meine neutrale Meinung und Einschätzung des Romans.

Angaben zum Autor

Als die jüngere von zwei Töchtern wurde Susanne Gavénis am 30.10.1970 in Celle geboren. Sie begann sich schon in früher Kindheit für Science Fiction und Fantasy zu begeistern und schrieb auch eigene Geschichten. Nach dem Abitur und der darauffolgenden Ausbildung als Lehrerin für die Fächer Biologie und Chemie konzentrierte sie sich zehn Jahre ausschließlich auf ihre Schriftstellerei, erst 2008 nahm sie die Arbeit in ihrem Beruf auf. Seitdem unterrichtet sie in einem Gymnasium in der Nähe von Frankfurt, wo sie auch mit ihrem Mann lebt. Sie ist seit 20 Jahren verheiratet, doch ihre einzigen Kinder sind die Protagonisten ihrer Romane. Ende 2008 veröffentlichte sie ihren ersten Fantasy-Roman, „Shaans Bürde“, der seit April 2016 unter dem Titel "Shai'lanhal" als Kindle E-Book erhältlich ist. Weitere Bücher sind im AAVAA-Verlag erschienen: der "Gambler-Zyklus" (Science Fiction-Vierteiler), "Wächter des Elfenhains" (Fantasy) und die zweibändige Gwailor-Chronik (Fantasy).

Rezension – Beschützer, Kämpfer und Bewahrer der Welt

In ‚Shai'lanhal‘ begeben wir uns in den uralten Kampf zwischen Gut und Böse. Die Geschichte eines Jungen, der dazu auserkoren ist, die Inkarnation des Guten – in Form eines unwissenden, unschuldigen Mädchens namens Deleja – vor der Wiedergeburt des Bösen und dessen Beschützerin zu bewahren. Mit seinem Leben und allem, was er hat. Es passiert alle zwanzig Generationen, dass die Mächte wiedergeboren werden und sich einem erneuten Kampf um das Geschick der Welt stellen müssen. Dabei haben die Beteiligten keine Wahl. Es ist eine ihnen auferlegte Bürde, aus der es kein Entkommen gibt.

„[…] das Schicksal der Welt erneut entscheiden, ohne dass der Rest der Menschheit davon auch nur das Geringste ahnte.“

Schlägt eine Seite fehl, bekommt die andere für die nächsten unzähligen Generationen die Macht über die Welt. In einer Welt des Guten darf niemals das Böse Oberhand gewinnen und so kommt es auch, dass Shaan – selbst wenn er wollte – seinem Schicksal nicht entkommen kann. Denn das Schicksal erfüllt sich, es gibt kein Entweichen. Der Start ins Leben für Shaan war bereits düster und von schmerzlichem Verlust geprägt, der auch seinen Vater eisern umklammert hält. Dieser wiederum hat die Aufhabe, seinen Sohn auf den alles entscheidenden Kampf vorzubereiten und erzieht ihn mit bitterer Kraft abgeschieden von der Welt. Vielleicht hätte es anders sein können, in einem anderen Leben, in einer anderen Welt. Doch in dieser gibt es für Shaan nur den Weg des Beschützers des Guten – koste es, was es wolle. Denn sollte er versagen oder sein Schützling sterben, noch bevor der große Kampf begonnen hat, dann fällt die Welt für lange Zeit in Dunkelheit – mit all ihrer grausamen Macht. Das Leben eines Einzelnen darf nicht zur Last der ganzen Welt führen und so muss Shaan seine eigenen Bedürfnisse hintanstellen. Bis zu seinem sechzehnten Geburtstag, bis zu Tag X, an dem sich alles entscheiden wird. An dem sich zeigen wird, ob all der Schmerz, die Entbehrungen und Belehrungen Früchte tragen werden. Früchte des Guten. Doch Shaan ist zutiefst verunsichert, hält selbst nicht viel auf sich, will seine Aufgabe nicht, würde ihr am liebsten entfliehen, wenn er denn könnte. Er weiß aber, dass dies nicht geschehen wird. Er muss dem enormen Druck – die Last und Zukunft der Welt auf seinen Schultern zu tragen – gerecht werden und weiß doch nicht, wie. Ständig droht ihn das Gefühl zu erdrücken, dass er nicht gut genug sei. Nicht gut genug für seinen Vater. Nicht gut genug für Deleja. Nicht gut genug für die Welt. Aber vor allem: nicht gut genug für sich selbst. Zweifel plagen ihn, lassen ihn nicht los. Hindern ihn an seiner Aufgabe. Nur zu gerne würde er sich dieser entziehen und der Inkarnation des Guten den Rücken kehren, wenn er nur nicht mit der Zeit so etwas wie tiefergehende Gefühle für sie entwickeln, und das in seiner Dramatik nur noch mehr zur Erfüllung seiner Bestimmung führen würde. Doch vielleicht war es ja so vom Schicksal gewollt.

  • Wenn man sich selbst nicht gut genug ist, selbst nicht an sich glaubt, wie sollen es dann andere können?
  • Wenn man selbst davon überzeugt ist, zu versagen, wird dann nicht genau das geschehen?
  • Kann ein unschuldiges Kind wirklich allein die Bürde der Welt auf sich tragen?
  • Kann es darauf vorbereitet werden, dass das Schicksal alles Guten in seiner Hand, in seinem Herzen liegt?
  • Kann ein Mensch diesem Wahnsinnsdruck überhaupt standhalten, unter ihm bestehen?
  • Oder wird die Welt, wie Shaan sie kennt, untergehen?
  • Oder muss es vielmehr ein Gleichgewicht, einen immerwährenden Wechsel beider ‚Parteien‘ geben?
  • Welche Macht wird letztlich siegen?

„Atemlose Stille lastete über der Stadt.“

Macht Euch bereit für ein emotionales Abenteuer, das seinesgleichen sucht.

Shai'lanhal‘ ist das dritte Buch, das ich von der Autorin gelesen habe. Nach den Gwailor-Chroniken konnte mich auch dieses eindrucksstarke Epos überzeugen. Der Start fiel mir diesmal zwar etwas schwerer als sonst, im Verlauf der Geschichte kam ich aber gut rein und konnte mich vom Geschehen packen und begeistern lassen. Die Autorin greift hier ein immerwährendes Thema – Gut gegen Böse – neu auf, beleuchtet es von unterschiedlichen, ja bisher unbekannten Seiten, verleiht dem Epos einen unglaublich fantastischen Facettenreichtum und schafft ein umfassendes Werk, das vor allem durch die einzigartig bewegende Ausgestaltung der Charaktere zu überzeugen vermag. Es ist wie ein uraltes Märchen – nur brutaler, realer und voller Abenteuer -, das einen unweigerlich in seinen Bann zieht, sodass sich dieser Wälzer im Nu verschlingen lässt und man sich nach mehr sehnt. Der Schreibstil ist wie schon bei den Gwailor-Chroniken gehoben, der Erzählzeit und dem Geschehen in seiner Sprache angemessen und authentisch wirkend. Unterstützt wird dies durch den Perspektivenwechsel der Protagonisten, was dem Leser ein runderes Bild schenkt und die Ereignisse, aber vor allem auch ihre emotionale Wirkung ungeschönt begreifen und verinnerlichen lässt. Shaan wird von Selbstzweifeln geplagt, ficht seinen eigenen heldenhaften innerlichen Kampf mit sich aus, bevor er seine Welt beschützen kann. Dies führt zu vielerlei überraschende, unerwartete Wendungen. Denn trotz oder gerade seiner Zweifel wegen, ist er bereit dazu, große Opfer zu bringen und vermag auf seine ganz eigene Art und Weise - die zunächst sehr zurückhaltend erscheinen mag, während das Böse Aktionen nach Aktionen bringt – das Geschick der Welt, seiner Welt zu lenken. Man entwickelt in jedem Fall über Sympathie hinausgehende Gefühle für ihn, fiebert mit ihm mit, hofft und bangt.

„Der Blick seiner Augen war trüb wie ein nebelverhangener Herbsttag.“

Die Magie beziehungsweise Macht der Protagonisten ist kein visueller Teil, der sich explosionsartig und farbenfroh entlädt, sondern eher Bestandteil ihrer eigenen Person – der unauffällig arbeitet und dabei doch so existenziell und stark ist – wie das Atmen. Es wirkt vielmehr elementar für ihre ‚Besitzer‘. Das hat mir sehr gefallen. Innerlich sind sich Shaan und Deleja nah, teilen ähnliche Erlebnisse, ähnliche Verluste, ähnliche Ängste – eine Verbundenheit, die nicht erst entsteht, sondern schon da war, lange bevor sie voneinander wussten. Die Natur untermalt übrigens die schicksalhaften Hoch- und Tiefpunkte der Charaktere innerhalb der Geschichte. So beginnt es bereits mit einem bildgewaltigen Gewitter und stößt einen direkt und ohne Vorbereitung in den Kernpunkt der Geschichte. Und das im Prolog. Wer meine Rezensionen verfolgt, weiß, dass ich nicht unbedingt ein Fan von Prologen bin, schon gar nicht von langen. Doch hier passt er für mich, gibt dem Roman so viel mehr an Gewicht und überzeugt. Dennoch hätte er für mich etwas knapper sein können, aber das ist natürlich rein subjektiv.

Einen kleiner Negativpunkt gibt es für mich dennoch: das Ende, das Nachwort. Es fügt sich nicht ganz so flüssig ins sonstige Erzählgeschehen ein, auch wenn ich den Knackpunkt des Epilogs (ich möchte hier jetzt nicht zu viel verraten) durchaus von seiner Logik her nachvollziehen kann. Man will der Welt ja nicht mehr Bürde auferlegen, als sie unbedingt tragen muss oder sie vielleicht tragen kann. Dennoch hätte ich mir an dieser Stelle etwas emotionalere, vielleicht auch tiefgreifendere Erläuterungen und Auseinandersetzungen gewünscht. Dem Buch und der Geschichte an sich tut dies allerdings nicht wirklich einen Abbruch. Es ist und bleibt ein fantastisches Abenteuer, das mit Sprachgewalt und Ideenreichtum sowie einer absolut visuell imponierenden Ausgestaltung überzeugt und gelesen gehört.

Das Cover ist dem Genre – High-Fantasy – angemessen. Es wirkt düster, gar Angst einfließend und macht zugleich neugierig auf den Inhalt und die Abenteuer und Kämpfe, die es als Leser begleitend zu bestreiten gilt. Ein wenig erinnert mich die Kämpferin auf dem Cover an den Winter Soldier aus Captain America – was in meinem Fall sehr gut ist, da es mich nur noch neugieriger auf die Geschichte gestimmt hat, sodass ich sie unbedingt lesen wollte. Lasst Euch aber selbst überzeugen und genießt dieses hoch emotionale Leseabenteuer.

Eure, Jil Aimée