Rezension – Sommer in St. Ives – Anne Sanders

17.08.2016 09:09

Kurzbeschreibung

Lola Lessing stehen turbulente Wochen bevor: Gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Geschwistern reist die junge Frau nach Cornwall, um ihrer Großmutter Elvira einen letzten Wunsch zu erfüllen. Denn Elvira möchte ihre Lieben noch einmal um sich haben, und zwar in dem charmanten Fischerdorf St. Ives, wo sie den glücklichsten Sommer ihres Lebens verbrachte. Niemand ahnt, dass Elvira hier einst ihre große Liebe gefunden hatte ― und dass die ganze Familie kurz davor steht, in Elviras geheimnisvolle Vergangenheit einzutauchen und den überraschendsten Sommer ihres Lebens zu verbringen …

Erscheinungsdatum: 24. Mai 2016

Seitenzahl der Printausgabe: 416

Verlag: Blanvalet Verlag

Hier geht’s zum Buch: Amazon / Blanvalet / Facebook / Instagram / Homepage / ISBN-10: 376450546X

Lieben Dank an den Blanvalet Verlag für das Zusenden eines Rezensionsexemplars.

Angaben zum Autor

Anne Sanders lebt in München und arbeitet als Autorin und Journalistin. Zu schreiben begann sie bei der Süddeutschen Zeitung. Als Schriftstellerin veröffentlichte sie unter anderem Namen bereits erfolgreich Romane für jugendliche Leser. Die Küste Cornwalls begeisterte Anne Sanders auf einer Reise so sehr, dass sie spontan beschloss, ihren Roman Sommer in St. Ives dort spielen zu lassen. Dieser eroberte die Herzen der Leserinnen und war wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Rezension – Wenn der Wind Dich ruft!

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten, das beeinflusst jedoch in keiner Weise meine Meinung.

In ‚Sommer in St. Ives‘ begeben wir uns auf eine Reise der besonderen Art – fast sechs Wochen lang. Es ist ein Sommer an der kornischen Küste. Ein Sommer voller Überraschungen. Voller Wendungen und voller Geheimnisse, die sich ans Licht zurückspülen lassen (wollen). Vor allem aber ist es auch ein Sommer der Chancen – für Lola Lessing und ihre Familie.

Lola reist mit ihrer Familie den Sommer über in das idyllische südenglische Fischerdorf St. Ives. Warum? Ihre Großmutter hat darum gebeten. Letztes Jahr ist der geliebte Großvater verstorben und nun will die Familie Oma Elvira einen letzten Wunsch erfüllen – an dem Ort, der für sie das größte Glück bedeutete. Dass dieses Glück aber so ganz anders aussieht als vermutet, erfahren Lola, ihre Geschwister und Eltern jedoch schnell. Es sollte ein schöner Sommer werden, entspannt, ruhig, er sollte die Familie wieder etwas näher zusammenführen. Doch dann kommt alles anders. Oma Elvira hat ein Geheimnis, das bald schon keines mehr sein wird: Sie wird heiraten. Einen Rockstar, den sie schon seit mehr als fünfzig Jahren kennt. Er trägt den Namen Sam Watson und zieht eine weitere große Kette an Familienmysterien mit sich. Kleine und größere Heimlichkeiten, die sich immer mehr aufstapeln und über kurz oder lang in einem großen Sturm gipfeln und sich unter tosendem Donner entladen müssen. Eines dieser Geheimnisse ist Lola selbst, denn weit in ihrer Vergangenheit liegend, war sie schon einmal in St. Ives und wurde unfreiwilliger Zeuge der Geschichte um ihre Oma. Lange, bevor es die anderen wussten. Aber gerade das bedeutet auch für sie im Verlauf der Geschichte einen Wendepunkt. Denn das Leben besteht aus Begegnungen, manchmal solche, die du zunächst gar nicht wirklich miterlebst, die dich aber auf den zweiten Blick aus deinen Angeln reißen und alles ins Wanken bringen. Dieser Wendepunkt trägt für Lola den Namen Chase. Mehr sei an dieser Stelle jedoch nicht verraten.

„Es ist, als würde der Wind mir neue Energie ins Gehirn pusten und dafür alten Schrott hinausfegen.“

Ein weiteres Geheimnis ist Lolas Mutter, die – hat es eine Bedeutung oder nicht? – Samantha heißt und so enttäuscht von den Lügen ihrer eigenen Mutter ist, dass sie eine Weile braucht, um ihr eigenes Geheimnis in die Arme der Familie zu tragen. Dann gibt es da noch Lolas Schwester und den Vater, deren härteste Aufgabe es wird, der Familie zu gestehen, dass sie ihren Weg so nicht weitergehen wollen. Das Job und Privatleben sich verändern müssen. Ich könnte das hier so fortführen, aber ich denke, ihr versteht, dass es sich wirklich um einen Sommer der Rätsel und Geheimisse handelt. Und was diese über Jahre mit einer Familie anstellen können. Denn diese Familie ist normal und anders zugleich. Sie reden nicht so unbeschwert miteinander, jedenfalls nicht alle. Sie unterwerfen sich dem selbst auferlegten Druck des Erfolgs – sei es im Studium, bei der Arbeit oder zu Hause. Und dieser Weg lässt nicht so einfach Abweichungen zu. Alles ist geplant, hat seinen Sinn. Ohne Platz für Allüren.

„Eine Dramaqueen ohne Königreich.“

Lola fühlt sich in diesen Strukturen schon lange nicht mehr wohl, will ausbrechen und sich neu erfinden. Aber gerade deswegen fühlt sie sich auch als große Enttäuschung der Familie. Lynda – Lolas Schwester – lebt in ihrem eigenen Konstrukt von Strenge, Ordnung, Erfolg und einer Bilderbuchbeziehung, die leider erfährt, dass die schillernden Farben um ihr so hart bemühtes Leben mit der Zeit verblassen und Gefühle auf der Strecke bleiben können. Luca – der kleine Bruder und Künstler in der Familie – entfernt sich immer mehr von dieser, lebt seine Leidenschaften aus, vielleicht ein letztes Mal in diesem Sommer, weil er weiß, dass er in Vaters Fußstapfen treten soll. Ob er will oder nicht. Jedenfalls ahnt er es. Und dann wären da ja noch all die anderen Charaktere – wundervoll und einzigartig zugleich und allesamt unglaublich facettenreich. Ihr müsst sie unbedingt selbst entdecken, am Ende des Buches werdet ihr das Gefühl haben, sie schon euer ganzes Leben lang zu kennen und einen besonderen Platz in euren Herzen für sie reserviert zu haben.

Denn dieses Buch, diese Familie ist unglaublich irre. Irre humorvoll, irre gefühlvoll auf ihre eigene Weise. Irre verrückt und irre ehrlich – zumindest über kurz oder lang. In jedem Fall aber ist es eine irre tolle Familie. Eine Familie, die gezwungen wird sich sechs Wochen lang den größten Geheimnissen zu stellen, ohne dabei wirklich Platz zum Ausweichen zu haben. Dass das nicht jedem gefällt, ist schnell klar, und so kommt es nicht nur zu einer hitzigen Debatte. Diese sechs Wochen sind action- und ereignisreich, vor allem aber sind sie eines: Heilend! Und manchmal erfährt man Heilung erst, wenn man alte Strukturen bitter zusammenbrechen lässt.

  • Was für Geheimnisse sind so schlimm, dass eine Familie innerhalb von sechs Wochen auseinanderbrechen kann, wenn sie es zulässt?
  • Was für Wendungen erwartet jedes einzelne Mitglied der Familie Lessing?
  • Hat die Liebe einer Familie eine Chance, wenn sie über die Jahre auf Lüge und Verrat errichtet wurde?
  • Oder ist das nur der erste Schmerz, ein Hindernis, das es zu überwinden gilt, um am Ende doch das zu finden, was immer da war?
  • Liebe?
  • Und welche Rolle spielen dabei berauschende Kekse J ?

Begebt Euch in dieses Leseabenteuer und lasst Euch von sechs Wochen Familiendrama, neuen Freund- und alten Bekanntschaften mitreißen. Lasst Euch ergreifen, von einer Liebesgeschichte, wie die Welt sie braucht. Geschichte wiederholt sich, sagt man, nur die Charaktere, die sich lieben, ändern sich. Und doch lebt jeder seine eigene.

  • Kann sich Liebe wirklich ähneln oder ist sie stets einzigartig?
  • Ist es nur der Sommer in St. Ives oder doch viel mehr?

Findet es heraus. Es wird Euch mitreißen und begeistern. Zumindest war das bei mir der Fall. Die Autorin schreibt unglaublich leicht, erfrischend, spritzig. Die Gedanken sind manchmal laut, unkonventionell und doch steckt in jedem Wort die Liebe zum Detail. Ich habe mir bei diesem Buch bewusst die Zeit gelassen, die die Geschichte auch überdauert – sorry daher für die späte Rezi -, denn ich wollte dieses Leseabenteuer so erleben, wie es die wunderbar frische Protagonistin Lola tut. In einem Sommer. Und dieser Sommer hat Spaß gemacht. Das Buch hat es geschafft, mir nach anstrengenden Arbeitstagen eine kleine Zuflucht in St. Ives zu schenken. Ich habe das Meer geschmeckt, das Fischerdörfchen erkundet und hatte so meinen kleinen Urlaub daheim und doch in der Ferne. Der Geschichte wohnen so viele Highlights bei, dass es unmöglich ist, sie alle aufzuzählen. Meines jedoch waren die Erinnerungen an den Opa, seine Lebensweisheiten, die denen meines Großvaters so ähnlich waren, dass mich die Geschichte auch in eigenen Erinnerungen fortgetragen hat. Das Buch lebt ein Stück weit davon. Dem Gefühl, der Nostalgie, die es beim Lesen auslöst. Besonders ist der Autorin der Wechsel zwischen Lolas Momenten der Gegenwart und den Erinnerungen von Oma Elvira gelungen – man konnte die Parallelen beider Geschichten quasi hautnah miterleben und Stück für Stück aufdecken. Auch die unvergleichliche Dynamik der Geschwisterbeziehung, die zwischendrin den Weg zueinander verloren zu haben scheint, aber doch immer wieder zu sich findet, hat mich beeindruckt. Generell einfach das Buch als solches, mit seinen wunderbaren Nebengeschichten, die alle in einem großen Ganzen münden, das mit Musik, tosendem Wind und ganz viel Pink zum Explodieren gebracht wird. Um zu wissen, was ich hier meine, müsst ihr selbst darin eintauchen. Es lohnt sich. Das Buch gibt einem so viel.

„Wege entstehen, indem man sich traut, sie zu gehen.“

Zum Abschluss noch kurz: Der Buchumschlag ist wunderschön gestaltet und entführt einen bereits von seiner Optik her in den Sommer, ans Meer. Man hört es rauschen, spürt die leichte Brise, atmet die unvergleichlich bereinigende Luft. Die Prägung des Titels in der pinken Farbe, die auch im Buch ihre Bedeutung findet, ist anziehend und lockend gebildet. Der Umschlag an sich von der Haptik her äußerst angenehm. Ich hätte mir allerdings einen verstärkten Buchrücken gewünscht, um die kleinen Risse beim Lesen zu vermeiden. Aber ansonsten wirklich wunderschön.

Es ist ein Buch über den Sommer, das Leben und die Macht der Liebe, die Zeiten und alle Hindernisse überdauert. Dabei ist es wachrüttelnd, leicht, schwer und prickelnd zugleich. Der Autorin ist hier die perfekte Mischung gelungen, und abgesehen von ein paar sprachlichen Holpern, die man sehr gerne verzeiht, ist es ein Buch, das jeden begleiten sollte. Denn es ist alles dabei: Drama, Gefühlschaos, Verrat, Turbulenzen, idyllische „Strände“ und ganz viel Liebe zum Detail. Mein Must-Read für Euch für den (Spät-) Sommer.

Eure Jil Aimée