Rezension - Telefonseelsorge - Liebe hat eine lange Leitung - Emma Lots

03.06.2015 23:55

Rezension - Telefonseelsorge - Liebe hat eine lange Leitung - Emma Lots

Kurzbeschreibung

Jessies Leben verläuft so gar nicht wie geplant. Statt beruflich an der Seite ihres Freundes durchzustarten und die Familienplanung voranzutreiben, arbeitet sie als schlecht bezahlte Praktikantin in einer Werbeagentur, wohnt in einem winzigen Loch und wird auch noch von ihrem Freund betrogen. Was tun, wenn man sich von der Familie und den Freunden ein „Das haben wir dir doch gleich gesagt!“ nicht anhören will? Genau! Man wählt nachts betrunken einfach irgendeine Nummer und heult sich aus …

Erscheinungsdatum: 27. Mai 2015 - broschiert
Seitenzahl der Printausgabe: 212
Verlag: FeuerWerke Verlag
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Angaben zum Autor

Die Autorin Emma Lots wurde 1979 in München geboren und mit zwei wesentlichen Merkmalen ausgestattet: einem großen Herzen und einem gewissen Maß an Verrücktheit. Um beispielsweise den Wunsch nach der eigenen Wohnung während des Grafik-Studiums zu realisieren, nahm sie an einem Radio-Gewinnspiel teil und lebte 16 Tage in einem Spielzeughaus im Schaufenster eines bekannten Möbelhauses. Voller Ideen gilt ihre Liebe dem Schreiben und Malen. Sie ist Autorin von diversen Kinderbüchern und begeisterte Illustratorin.

Der humorvolle Liebesroman »Telefonseelsorge« ist ihr Debüt in diesem Genre.

Rezension - Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein

In ›Telefonseelsorge - Liebe hat eine lange Leitung‹ begegnen wir der jungen und leicht chaotischen Jessie, die ihrer großen Liebe Willen ihre Zelte in ihrer Heimat gänzlich abgebrochen hat, um der gemeinsamen Zukunft eine Chance zu geben. Gut ein wenig Bauchweh hatte sie bei der ganzen Sache schon, aber ihr Herzblatt hat ihr zugesichert, mit ihr in einer gemeinsamen Wohnung zu leben und sie zu einem Art Director einer renommierten Werbeagentur zu machen. Als sie eines Tages vor ihm steht, wird aus dem Traumjob ein mies bezahltes Praktikum und aus der gemeinsamen Wohnung ein 1-Zimmer-Appartment für sie alleine. Ohne Freunde, ohne Perspektive und vor allem ohne Liebe fängt ihr Leben in der Fremde an. Moment mal, ohne Liebe - warum das denn jetzt? Ganz einfach, ihr ›knight in shining armor‹ hatte nichts Besseres zu tun, als fremdzuknutschen ...

» Ahhh! Gehirnvermerk: Gedanken an Oli, das Arschloch, verbieten. Höchststrafe.«

Das ist der Moment, in jenem Jessie beginnt sich gehen zu lassen, Eis in sich zu schaufeln und sich im Selbstmitleid zu baden. Dass es so nicht weitergehen kann, wird ihr alsbald selbst klar. Sie startet die Aktion Rückeroberung und Bodytuning - u. a. mit einer Rolle Klebeband - und muss sich neben immer wiederkehrenden Rückschlägen auch noch damit rumschlagen, dass ihre Arbeit wenig Würdigung erfährt und sie sogar - man könnte fast sagen - von ihren Kollegen aktiv gemobbt wird. Zu allem Überfluss tritt sie dabei auch noch von einem Fettnäpfchen ins nächste, bis sie sich eines Abends die Kante gibt und in angeschickertem Zustand eine fremde Nummer wählt, die alles verändern wird ...

•    Wer verbirgt sich hinter dieser unbekannten Nummer und vor allem, was erzählt diese Person ihr, dass sich immer mehr ihr ganzes Leben daraufhin verändert?
•    Was hat eine Rolle Klebeband mit Bodytuning zu tun oder steht sie auch auf irgendeine verquere Interpretation von ›Shades of Grey‹?
•    Kann sie ihrem Prince-not-so-Charming verzeihen und eine Rückeroberung mit Erfolg krönen?
•    Wenn ja, will sie ihn überhaupt noch zurück?
•    Und was wird denn darüber hinaus aus ihrem beruflichen Erfolg?
•    Lässt sie sich diesen wirklich einfach so kampflos nehmen?
•    Aber vor allem, was hat das sog. ›Prada-Monster‹ der Werbeagentur mit der ganzen Sache zu tun?

Wenn ihr jetzt auch ganz viele Fragezeichnen in Euren Leserköpfchen habt und unbedingt den Sinn und die Lösung dahinter erfahren wollt, dann los jetzt. Worauf wartet ihr noch, zugreifen, lesen und ganz herzhaft dabei lachen. Denn viel lachen werdet ihr!

Mit ihrem Liebesroman hat Emma eine wunderbare Geschichte über das Finden sowie Stärken des eigenen Charakters und Selbstbewusstseins geschaffen, der es auf eine charmante und humorvolle Weise gelingt, den Leser in ihren Bann zu ziehen. Mit Jessie, der stets chaotischen Protagonistin, die von der Liebe und ihrem Arbeitsumfeld enttäuscht wird und jede Peinlichkeit nahezu magnetisch anzuziehen scheint, wird das Buch durch einen starken, echten Charakter getragen. Jessie ist eine Frau mit Ecken und Kanten. Sie hat Problemzonen - zumindest denkt sie dies - und lässt den Leser an ihrer Bewältigung bzw. ihrem Umgang mit diesen teilhaben. Seien es die körperlichen Problemzonen, wie ein hügeliges Bergenland von Bauch (und natürlich übertreibt sie subjektiv :) ) oder die Seelischen, wie ihre Gefühle zu Oli. Oli, von dem sie sich immer wieder blenden und beruflich, wie auch privat, hintergehen lässt. Es ist für Jessie ein wahrer Kampf, um aus dieser Spirale der Selbstnegierung heraus- und in die Hauptrolle ihres eigenen Lebens zurückzukommen. Ja sich (zurückzu-) holen, was ihr zusteht. Wie sie selbst mit dieser Situation umgeht, ist für den Leser einfach herzhaft komisch, skurril und absolut ehrlich. Ich habe selten so viel gelacht und geweint zugleich. Es hat sich quasi ein Beben an Lachern durch meinen Körper geschüttelt und ein Fluss an Freudentränen aus meinen Augen ergossen. Danke für dieses klasse Erlebnis an die Autorin. Vor allem die Passagen, in jenen Jessie coole Selbstgespräche mit ihrem Magen und Spiegelbild führt waren ein absolutes Highlight für mich.


»Das hat sie auch noch nie gemacht. Rauchen und trinken auf dem Klo. Fühlt sich gut an. Irgendwie rebellisch. Oder asozial.«

Es sind einfach genau diese Momente, die sie als Protagonistin so sympathisch machen. Auch die Tatsache, dass sie ein Rauchlaster zu haben scheint und über ihre telefonseelsorgerischen Anrufe, die übrigens eine Menge Mut oder Alkohol erfordern :) und die Liebeskummerselbsttherapie zunehmend vergisst, diesem zu frönen, ist ein schöner und willkommener Nebeneffekt, der eine positive Änderung in ihrem Leben anzeichnet. Sie wird zunehmend als Person stärker und freier, muss sich nicht mehr - wie mein Rezititel noch verlauten lässt - verstecken.

Bei all dem Spaß, den man beim Lesen empfindet, kommt die Geschichte auch sprachlich nicht zu kurz. Emma hat einen unverkennbar luftig, lockeren Schreibstil mit einer großen Portion Humor und Selbstironie, die sie in ihre Charaktere legt. Es macht einfach Freude, diese Story zu lesen und in nahezu Schallgeschwindigkeit zu verschlingen. Man muss es einfach schnell und in einem Rutsch inhalieren, damit man genauso, wie Jessie an Leichtigkeit und Lockerheit gewinnen kann. Dabei wird der Roman perfekt durch Titel und Cover unterstützt. Beides verspricht mit der Telefonseelsorge, dem Herzsprung und den Zigaretten, was Jessies Leben auch hält. Und, ja, die Liebe kann eine lange Leitung haben. Hierin liegen auch mein größtes Lob und meine Kritik zusammen. Die Grundidee der Geschichte geht mit dem Was, Warum und Wie einer neuen Begegnung, die auf sehr komische und unkonventionelle Art geschieht, in eine ganz neue Richtung. Das finde ich richtig klasse und es macht Emmas Werk zu einem echten Goldstück. Aber gerade deshalb hätte ich mir an der einen oder anderen Stelle noch etwas mehr an Telefonat und Spannungsaufbau bezüglich eines neuen, mysteriösen Kunden gewünscht. In welche Richtung dies läuft, war doch sehr schell klar. Verglichen mit der Freude, die mir dieses Buch mit seiner neuartigen Storyline aber bereitet hat, ist dies eine geringe und vernachlässigbare Kritik. Das Erzählgeschehen bietet einfach zu viele Höhepunkte, als dass ich das Buch nicht lieben könnte. Zu diesen zählen vor allem das Prada-Monster, von jenem ich auch gerne eine eigene Geschichte lesen möchte, und auch die Tatsache, dass eine sich neu entwickelnde Beziehung am Ende nicht bis ins kleinste Detail ausgeschlachtet, sondern nur angerissen wird. Dies ermöglicht dem Leser, sich alles weitere selbst auszumalen und zu erträumen. Wirklich sehr gelungen. Ich liebe, liebe es. Liebe Emma, vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar, ich musste diese Geschichte einfach schneller lesen und rezensieren als versprochen. Cover, Titel und Inhalt haben mich voll abgeholt und bereichert.

Abschließend bleibt mir nicht anderes zu sagen, als: Dieses Buch fordert die Leistungs- und Strapazierfähigkeit der eigenen Lachmuskeln zu Höchstleistungen heraus. Einfach erfrischend anders, thematisch neu und spritzig frech.

Eure Jil Aimée