Rezension - Was Erdbeeren und Erdbeben gemeinsam ist [Kindle Edition] – Claudia Rehm

01.06.2015 15:04

Rezension - Was Erdbeeren und Erdbeben gemeinsam ist [Kindle Edition] – Claudia Rehm

Kurzbeschreibung

Drei wohlhabende Internatsschüler reisen nach Barcelona um sich dort für bares Geld zu kaufen was zu Hause kein Mädchen aus Liebe mit ihnen teilen will: ihr erstes Mal. Doch ihre Reise wird von einem blinden Passagier, der schönen und beliebten Mia, auf abenteuerliche Abwege geführt. Kann das lebensfrohe Mädchen mit ihren ungewöhnlichen Ansichten und Ideen die Entschlossenheit der drei Jungen ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen ins Wanken bringen?

Erscheinungsdatum: 19. Februar 2015

Seitenzahl der Printausgabe: 177

Verlag / Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.

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Rezension – Ein Roadtrip zu sich selbst – ein Roadtrip in die Freiheit

In ‚Was Erdbeeren und Erdbeben gemeinsam ist‘ geht es um drei Freunde, die sich – aufgewachsenen und unterrichtet in der noblen und reichen Elite dieser Welt dennoch – stets unbeliebt und vom gesellschaftlichen Umfeld ausgeschlossen fühlen. Von ihren Mitschülern werden sie, wenn überhaupt wahrgenommen, verspottet und gemieden. Das ist auch der Grund, warum sich die Brüder Kevin und Leo und dessen bester Freund Tommy vor allen anderen verschließen und niemandem die Chance ermöglichen, ihnen nahe zu kommen. Sie beobachten lieber aus der Ferne, dort, wo es nicht wehtut. Aber damit soll nun Schluss sein. Über die letzten Monate haben sie eisern ihr hohes Taschengeld gespart und somit sämtlichen Luxus, den sie ansonsten auf einfaches Bitten hin offeriert bekommen, ignoriert, um sich einen Trip nach Barcelona zu finanzieren. Aber nicht irgendein Trip, sondern der ganz große Roadtrip in die Männlichkeit. Ihr hochauserkorenes Ziel ist es, sich endlich ihrer Jungfräulichkeit zu entledigen, in der stillen Hoffnung damit nach ihrer Rückkehr im sozialen Ansehen hoch aufzusteigen.

  • Wie sie, die sie nie auch nur in die Nähe des weiblichen Geschlechtes kommen - der Eine, weil er etwas fülliger und verängstigt ist, der Andere weil er unter seiner jugendlichen Akne zu leiden hat und der Dritte, weil er trotz seinem attraktiven Aussehen einfach in der Gegenwart des andern Geschlechtes kein gutes Wort hervorbringt – das anstellen wollen?

Ganz klar mit dem Besuch in einem gewissen Etablissement. In Barcelona wollen sie unter Inanspruchnahme der Dienste eines ortsansässigen und über die spanischen Grenzen hinweg bekannten Edelbordells zum Mann werden. Für ihre Fahrt dorthin ‚leihen‘ sie sich einen ausrangierten Kleinbus des Eliteinternats, in dem sie leben. Ihre Reise– so gut durchdacht und geplant – wird schnell durchgerüttelt und ihr ganzes Vorhaben somit auf den Kopf gestellt, denn den Dreien hat sich ein blinder Passagier angeschlossen. Dabei handelt es sich um die quirlige, ursprünglich nicht aus reichen Verhältnissen stammende, blonde Rebellin Mia, die gleichzeitig das beliebteste Mädchen der Schule als auch Leos fleischgewordener Frauentraum ist.

„Sie sah aus wie eine leckere, blonde Portion Vanilleeis mit Schlagsahne und einer dicken, saftigen Marzipankirsche oben drauf.“

Diese, sobald von den Jungs bemerkt, setzt ihre ganzen Reize dazu ein, mitreisen zu dürfen und überzeugt die Jungs unterwegs auch mal von ihrem geraden Weg abzuweichen und echte Abenteuer zu erleben. Abenteuer, wie das erste Fischen mit selbstgemachten Angeln, dem Besuch auf einem antiken Flohmarkt und der Verewigung in einem monumentalen Denkmal. Auch, wenn ich die Bezeichnung als Vandalismus durch Lippenstift ein wenig ‚over-the-top‘ finde. Ihre Reise von Österreich nach Spanien wird durch Mias Gesellschaft alles andere als langweilig und verändert mit zunehmender Entfernung von der Heimat ihr Ziel…

  • Welches neue Ziel die (nun vier) Freunde wohl ansteuern?
  • Ob sich dieses Ziel auch noch in Barcelona befindet?
  • Was sind tatsächlich Mias Beweggründe die drei Jungs zu begleiten?
  • Können die den Luxus der Welt gewöhnten drei Freunde auch im einfachen Leben Fuß-fassen und ihre Reise wahrlich genießen?
  • Welche Abenteuer erleben sie unterwegs und ist dabei auch Platz für die Liebe?

Um dies alles zu erfahren, müsst Ihr diese überaus lehrreiche und angenehme Geschichte schon selbst lesen.

Claudia Rehm hat mit ihrem Roman eine schöne Geschichte darüber geschrieben, was es bedeutet, sich selbst zu finden in einer Welt, die einem viel zu oft eine Maskerade aufdrückt. Ihre Charaktere wirken alle liebevoll und mit ihren individuellen Schicksalen und Eigenschaften gut durchdacht, sodass sie dem Leser einen gewissen sich Selbstwiedererkennungswert in jedem von ihnen ermöglichen. Diese Identifikation gibt dem Leser die Möglichkeit, sich mit vielleicht eigens bekannten Ängsten auseinanderzusetzen und zu sich selbst zu finden. Die Autorin nimmt die drei Freunde an die Hand auf dem Weg in das Erwachsenwerden, auch wenn dieses am Ende anders aussieht, als zunächst geplant. Oft ist einfach der Weg das Ziel und Wege lassen sich anpassen oder unterwegs verändern. Dabei gibt die Autorin den drei unsicheren Jungen mit der aufgeweckten Mia – die auch ihr eigenes Päckchen zu tragen hat (welches das ist, lasst Euch überraschen) – eine perfekte Lehrmeisterin mit an die Hand. Eine Lehrerin, die mit den Dreien auf gleicher Ebene steht und sie lehrt, auch mal von allen Konventionen freizukommen und loszulassen. Mit ihrem Auftauchen kehrt mehr an Leben und Tiefgründigkeit in die Geschichte ein. Durch den sehr bildlichen Roadtrip, der durch eine schöne Landschaftszeichnung der neuen ‚Zwischenziele‘ – sei es das Suchen nach der Puppe auf dem Flohmarkt oder das Grillen von Fisch – unterstützt wird, lernen alle endlich das eigene Umfeld der europäischen Heimat besser kennen und schätzen. Es gibt eben mehr, als nur ewig in dem Schein von Luxusurlaub zu versauern, ohne die tatsächliche Schönheit und Besonderheit eines jeden Landes überhaupt nur wahrnehmen zu können.

In zehn Kapiteln plus Prolog erzählt Claudia aus Leos Perspektive die Geschichte und schenkt dem Leser einige schöne Tipps und (Lebens-) Weisheiten, die sich wunderbar in das eigene Dasein adaptieren lassen. Jede von ihren Hauptfiguren verbirgt ein Geheimnis, – auch vor sich selbst – das sie im Laufe der Reise ergründen müssen, um zu ihren Wurzeln zu finden und sich nicht mehr zu verstecken. Eine der größten Erkenntnisse, die sie dabei alle machen werden, ist, dass man sich selbst nicht kaufen kann und es ein überaus befreiendes Gefühl ist, auch für andere Verantwortung zu übernehmen. Dabei gewinnen sie alle an menschlicher Größe und wachsen mit ihrem eigenen gestärkten Selbstbewusstsein zu der Person heran, die sie schon immer waren, aber bisher versteckt hielten. Sei es Kevin mit seinen Sehnsüchten, oder einer der anderen.

„Das Gefühl, für meine Freunde gesorgt zu haben, war nahrhafter als alles, was ich bisher in meinem Leben zu mir genommen hatte und ich spürte geradezu, wie meine Seele und mein Stolz daran reiften.“

Leider weist die Geschichte an der einen oder anderen Stelle ein paar, den Lesefluss ins Stocken bringende, sprachliche Schwächen durch z. B. zu häufige Wort- und Inhaltswiederholungen, als auch thematische Inkonsistenzen (erst sind die Akkus alle leer, am Ende doch nicht ganz) auf. Im Großen und Ganzen lässt sich aber aufgrund der wunderbaren Botschaft und Ausgestaltung der Geschichte gerne darüber hinweglesen. Es ist eine schöne Geschichte, die einem auch die einfachen Dinge im Leben nahebringt und deren hohen Wert verdeutlicht. Das sind Dinge, die ein noch so teurer Unterricht den Menschen nicht zu lehren vermag. Dinge, wie die Botschaft von Freundschaft und Freiheit, das Erkennen des eigenen Ichs oder auch nur das abenteuerliche Gefühl einer Nächtigung im Auto und eines wärmenden, aufregenden Lagerfeuers und die Nähe einer bestimmten Person – ohne viele Worte.

„Manchmal kann schon eine Kleinigkeit dazu ausreichen keinen Stein auf dem anderen im Leben eines Menschen zu lassen.“

Besonders gefallen hat mir dabei die komplette Namensgebung sämtlicher Charaktere, da sie jeweils zu der jeweiligen Person passend gewählt wurde und somit für mich ein Highlight des Romans bildet. Das lässt mich auch über das für mich weniger gelungene Cover hinwegsehen. Es ist schön, wenn Geschichte und Charakter so fließend Hand in Hand gehen. So bedeutet Leo ‚der Starke / der Kühne‘ – eine Bezeichnung, der er im Verlauf des Erzählgeschehens mehr und mehr gerecht wird. Der hübsche aber etwas zurückhaltende Beau Kevin erweist seiner Namensbedeutung ‚der Schöne‘ auch alle Ehre. Tommy hingegen, was ‚Zwilling‘ bedeutet, lässt sich im übertragenden Sinne als besten Freund Leos durchaus als greifend gewählt empfinden. Abgerundet wird diese Namenskomposition durch Mia, die wie ihre Name schon verlauten lässt, eine wahre Ungezähmte und Meeresperle :) ist. Wunderbar! Abschließen werde ich mit der Botschaft der Geschichte und gleichzeitig mit meinem Lieblingszitat daraus:

„Aber hier und jetzt, […] hatten wir die Möglichkeit ins Spiel des Lebens eingewechselt zu werden.“

Ich wünsche Euch einen angenehmen Lesegenuss.

 

Eure Jil Aimée