Rezension – Wir fliegen, wenn wir fallen – Ava Reed

06.03.2017 16:40

Kurzbeschreibung

»Unsere Welt besteht aus vielen kleinen Wundern, wir nehmen uns nur zu selten Zeit für sie.«

Eine Liste mit zehn Wünschen.

Ein letzter Wille.

Und zwei, die ihn gemeinsam erfüllen sollen.

Das ist die Geschichte von Yara und Noel.

Eine Nacht unter den Sternen schlafen. Einen Spaziergang im Regenwald machen. Die Nordlichter beobachten ... So beginnt eine Liste mit zehn Wünschen, die Phil nach seinem Tod hinterlässt, gewidmet seinem Enkel Noel und der siebzehnjährigen Yara. Phils letztem Willen zufolge sollen sich die beiden an seiner statt die Wünsche erfüllen. Gemeinsam. Yara und Noel, die sich vom ersten Moment an nicht ausstehen können, willigen nur Phil zuliebe ein. Doch ohne es zu wissen, begeben sich die beiden auf eine Reise, die nicht nur ihr Leben grundlegend verändern wird, sondern an deren Ende beiden klar ist: Das Glück, das Leben und die Liebe fangen gerade erst an.

Erscheinungsdatum: 17. Februar 2017

Seitenzahl der Printausgabe: 304

Verlag: Ueberreuter Verlag

ISBN-10: 3764170727

ISBN-13: 978-3764170721

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Angaben zur Autorin

Ava Reed lebt gemeinsam mit ihrem Freund im schönen Frankfurt am Main, wo sie gerade ihr Lehramtsexamen macht. Zur Entspannung liest sie ein gutes Buch oder geht mit ihrer Kamera durch die Stadt. Das Schreiben hat sie schon früh für sich entdeckt und während des Studiums endlich ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Mit „Spiegelsplitter“ verfasste sie ihren ersten eigenen Roman. Mittlerweile arbeitet sie an zahlreichen romantisch-fantastischen Geschichten.

Rezension – Ein Sprung ins Ungewisse ist manchmal der Weg ins Glück

Phil - ein alter, blinder Mann, der für manche ein Fremder und doch sicherer Hafen ist, ein Freund und eine Zuflucht zugleich, während er anderen als Familie, Großvater doch irgendwie immer fremd bleibt.

Yara – ein Mädchen, das einen schmerzlichen Verlust ertragen muss. Tag für Tag, und sich selbst die Schuld daran gibt, obwohl sie andere wieder zurück ins Leben holt und Farbe in die Dunkelheit bringt.

Noel – ein Junge, früh von der eigenen Mutter verlassen und zornig auf die Welt, der erst zu spät erkennt, dass er niemals wirklich alleine war und doch dem Leben wieder Freude abgewinnt.

  • Doch ist es wirklich jemals zu spät?
  • Was verbindet diese drei?
  • Was unterscheidet sie?
  • Auf welche Reise begeben sie sich und wer kommt am Ende wie zurück?

Drei Begegnungen, drei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, deren Wege sich durch einen traurigen Schicksalsschlag und viel zu frühen Abschied kreuzen, um dann dem Leben wieder Sinn, Farbe und Liebe zu geben. Manchmal muss es erst einen Abschied geben, um den richtigen Weg - einen Neuanfang - zu finden. Manchmal wird aus Abneigung Zuneigung, aus Fremdheit Freundschaft und aus Trauer Liebe. Ava Reed beschreibt genau das in ihrem neuen Roman. Und gibt dabei ihren Protagonisten reale Gesichter, ein reales Leben. Wie es dir und mir passieren könnte. Sie gibt ihnen Ängste, Ecken und Kanten, aber auch Wünsche und Sehnsüchte. Eben einfach Charakter. Und beim Lesen hat man das Gefühl, alle drei auf ihrer eigenen Reise begleiten zu dürfen. Den etwas störrischen und zunächst unsicheren Noel, der zornig ist, sich im Stich gelassen fühlt und nicht weiß, wohin ihn das Leben trägt. Der vielleicht auch ein wenig von sich selbst enttäuscht ist.

Den erfahrenen Phil, der die Farben der Welt über alles liebte, bis er sie nicht mehr sehen konnte. Der sich wünscht, er wäre Noel der Großvater gewesen, den er gebraucht hat. Und der durch Yara wieder das Schmecken der Farben und Abenteuer lernt, in ihr eine Enkelin findet, wie er sie sich gewünscht hätte.

Yara wiederum findet in Phil den Ausbruch aus ihrem trüben Alltag, der sie ablenkt von der Sorge, den Schuldgefühlen. Und trotz dieser lernen wir sie in der Geschichte als ein aufgewecktes, mutiges Mädchen kennen, das sich nicht scheut, Neues zu wagen.

Alle drei sind wundervoll ausgestaltet, wirken echt. Auch das Geschehen und die Geschichte um zehn Wünsche, die es zu erfüllen gilt, wirkt durchdacht, aufregend und treibt dazu an, die eigenen Wirklichkeit werden zu lassen. Nun sind Bücher über die Erfüllung einer Bucket-List nichts Neues. Aber Avas Ansatz ist es. Es geht hier primär nicht um die eigenen Wünsche, sondern darum jemandem bei der Erfüllung seiner Träume zu helfen, und daraus selbst Lebenslust, Freude und Liebe zu ziehen. Dabei schreibt die Autorin locker, bildhaft-malerisch, packend, ich habe mich selbst an den Stationen der Reise durch Ava Reeds Stil wiederfinden können. Außerdem lernen wir viel über Yara und Noel durch sie selbst kennen, da in wechselnden Perspektiven erzählt wird. Und es war einfach wunderbar.

Wir fliegen, wenn wir fallen‘ von Ava Reed ist genau das: Zuneigung, Freundschaft, Liebe – und doch noch so viel mehr. Es ist ein Erfüllen von Wünschen, das Finden des eigenen Seins, eine Reise ins Glück. Aber vor allem ist es ein Wegweiser aus der Dunkelheit, zurück ins eigene Leben. Ava Reed hat hier einen bedeutenden, wundervollen Roman geschaffen, der gleich auf einer emotionalen Highnote startet, den Leser schüttelt, packt und mitreißt. Mit jeder Zeile. Es fließen Tränen, es tanzt das Herz, es setzt die Atmung aus, und es strahlt das Gesicht. Es ist eines dieser Bücher, das man wieder und wieder lesen will, in das man sich einkuscheln muss, weil es tröstet, den Blick zurechtrückt, weil es heilt und Hoffnung gibt. Hoffnung darauf, dass ein Abschied nicht das Ende bedeutet, sondern manchmal als erster Schritt, als Schubs in die richtige Richtung dient. Und dass es Gefühle gibt, die über alle Grenzen hinweg bei einem bleiben.

»Wir stehen einfach da, zwei Ruhende inmitten von so viel Bewegung.«

Das Buch liefert die Botschaft, dass es aber nicht nur den Schubs braucht, sondern auch den Willen und den eigenen ersten Schritt, um eine Veränderung herbeizuführen. Und diesen Schritt muss jeder selbst gehen. So auch Yara und Noel nach dem schmerzlichen Abschied von Phil. Yara und Noel, die sich zunächst nicht leiden können und dennoch dafür entscheiden, in Phils Andenken die Welt zu bereisen, seinen letzten Wunsch zu erfüllen, gemeinsam. Doch den ersten Schritt dazu müssen beide selbst gehen. Beide allein. Es ist die Entscheidung. Und am Ende war es nicht nur eine Reise durch die Welt voller Wünsche, unglaublicher Erfahrungen – die ich hier nicht verraten kann, ihr müsst sie schon selbst durchs Lesen erfahren, das macht den Zauber dieses Buches aus -, das Gewähren eines letzten Willens, sondern vielmehr der Weg ins eigene Leben zurück. Das Bewusstsein, dass man dieses nicht alleine leben muss. Die Chance, dass aus zwei Einsamkeiten ein Gemeinsames werden kann. Dass man zusammen eigene Ängste und das Alleinsein überwinden kann. Wenn man denn wirklich will …

Wir fliegen, wenn wir fallen‘ wird eines dieser Bücher sein, das ich noch in zwanzig Jahren lesen werde. Immer dann, wenn mein Herz Trost braucht, meine Seele Zuversicht oder wenn ich einfach mit einem glücklichen Gefühl angefüllt sein möchte. Es ist genau, wie die Autorin es schreibt. Ich werde mich immer daran erinnern, wie ich es zum ersten Mal gelesen habe. Und es ist wahr:

»Du schlägst dann nicht einfach nur dieses Buch auf, sondern auch Erinnerungen.«

Und genau das werde ich tun. Ein Jugendbuch, das aus der Masse heraussticht und in seiner Gänze begeistert. Sei es die tief bewegende Geschichte oder das traumhaft schöne Cover – gestaltet von Alexander Kopainski, in wunderbaren Pinktönen gehalten und mit die einzelnen Wünsche symbolisierenden Bildchen verziert. Übrigens mein Lieblingscover. ‚Wir fliegen, wenn wir fallen‘ ist einfach ein gelungenes Gesamtpaket, das schöne Lesestunden voll Gefühl, Abenteuer und Herausforderung bietet. Ich habe von diesem Buch so viel mitgenommen, es hat einfach mein Herz berührt.

 

PS: Ich liebe die Darstellung der Seitenzahlen und kleinen Sprüche, die wie handgeschrieben wirken.

 

Eure Jil Aimée