Sneak peak to the first pages of my novel / Wege in die Zukunft

24.07.2012 08:35

Hi hier könnt Ihr einen Einblick in die ersten Seiten meines Romans erhaschen. Ist momentan noch ein Einbänder, evtl. aber als Mehrteiler geplant.

Viel Spaß! Ist aber noch nicht Korrektur gelesen!

 

<<< 1. Kapitel -Traurige Erinnerungen

 

„Vielleicht wäre mein Leben anders verlaufen, hätte ich nicht einen anderen Weg für mich gewählt.“ Aber manchmal sind die Dinge schwerer, als sie scheinen und doch einfacher als wir angenommen haben sie zu glauben. Dennoch, die Entscheidung, die ich jetzt treffen musste, würde für mich die schwerste sein, das wurde mir in den letzten Wochen meines alten Lebens von Tag zu Tag klarer, ja mit jeder Stunde die verstrich sogar immer eindeutiger“, mit diesen Gedanken schloss Ellen ihre Augen und bettete ihren Kopf in Silvias Kissen. Sie träumte in den letzten Tagen immer die gleiche traurige Geschichte und so auch in dieser Nacht:

 

An einem Donnerstagnachmittag kam Ellen wie immer um 15:30 Uhr pünktlich aus der Schule. Sie stieg in ihren dunkelgrauen Volvo und machte sich auf den halbstündigen Heimweg ins schneebedeckte Devin, einer Kleinstadt nahe Seattle. Der Schnee war heute besonders dicht und die Straßen eisig glatt, so dass sie langsamer fuhr, als üblich. Doch ihre Mum Silvia hatte ihr stets Vorsicht geboten. Wie dem auch sei, auf den Straßen herrschte Chaos. Ein riesiger Tumult. Überall ertönten mit einem mal grausame Schreie und lodernde Flammen wurden vor Ellens Augen lebendig. Es musste einen Unfall gegeben haben. Schnell trat Ellen auf die Bremse und kam gerade noch rechtzeitig zum Stehen, sonst hätte sie sicher eines der durch die Luft wirbelnden Wrackteile erwischt. Vorsichtig stieg sie aus ihrem Volvo und näherte sich einer Gruppe von Menschen, die am Straßenrand gegenüber in genügendem Abstand zur Unglücksstelle standen. Erst dort bemerkte sie, wie stark sie zitterte und wie sehr ihr die Tränen in die Augen stiegen und langsam über ihre Wangen liefen. „Denn die Welt vergeht in Feuer und sogleich in Eis“, hörte sie eine Männerstimme hinter sich leise murmeln. Ruckartig drehte sie sich um und wischte dabei ein paar ihrer Tränen mit ihrem Mantelärmel aus den Augen, um klar erblicken zu können, von wem diese merkwürdigen Worte stammten. Sie konnte den Mann nicht recht erkennen, er war in einen knielangen braunfarbenen Mantel gehüllt und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Dennoch schien es, als blickte auch er Ellen an und wiederholte seine Worte von zuvor: „Denn die Welt vergeht in Feuer, und sogleich in

Eis – so ist es schon immer gewesen und so wird es sein. Die Zeiten vergehen, doch die Geschichten wiederholen sich, lediglich die Marionetten tauschen sich zum Schein. Denn das ist was ihr Menschen seid, austauschbare Gestalten, die so schnell vergehen, wenn ihre Rolle gespielt ist. Manche in Feuer und andere in Eis. Es wiederholt sich alles.“ Erschrocken versuchte Ellen zu verstehen, was sie soeben gehört hatte und sie wollte antworten. Doch plötzlich gab es erneut einen lauten Knall und Feuer und Schmerz sprühten durch die Luft. Sie drehte sich zur Straße um und erblickte einen Schulbus mit Grundschulkindern, zumindest glaubte sie es seien Grundschulkinder, der in der Unfallstelle in Flammen aufging und explodierte. Er musste soeben in die bereits verunfallten Fahrzeuge gerutscht sein. Überall gab es ein Schreien und durcheinander wirbelndes Gerenne. Als sich Ellen für einen Atemzug beruhigte, erinnerte sie sich an ihre Frage und wandte sich erneut dem umhüllten Fremden zu. Doch dieser war bereits dabei sich von der Unglückstelle zu entfernen. Sie rief ihm nach, zu warten, jedoch die einzige Reaktion, die er ihr entgegenbrachte waren erneut diese Worte:“ Alles wiederholt sich, vergiss das nicht.“, die Ellen nicht zu verstehen vermochte, jedenfalls noch nicht.

Verwirrt wälzte sich Ellen im Bett und erwachte schweißgebadet, wie üblich in den letzten Tagen, aus ihrem unruhigen Schlaf. Immer wieder an derselben merkwürdigen Stelle, die ihr den Schlaf raubte. Dabei wusste sie genau, der schlimmste Teil dieser Geschichte war noch zu träumen, sobald sie den Schlaf wiederfand. Sie stieg aus dem Bett ihrer Mutter und ging zu dem kleinen Fenster, das in die gegenüberliegende Wand eingelassen war. Für einen kurzen Moment öffnete sie es, um sich von der frischen, eisigen Nachtluft beruhigen zu lassen, als würde ihre Mutter sie streicheln und zu Trost bewegen. Doch nach einigen Sekunden, wenn sie die bittere Realität wieder hatte und ihr bewusst wurde, dass dies nur ein Windhauch gewesen war, schloss sie das Fenster wieder und warf noch einen kurzen düsteren Blick in den angrenzenden Wald. Wie in jeder Nacht vernahm sie im Dunkel des Dickicht ein kurzes Glühen, doch ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, wandte sie sich um und kehrte in ihren traurigen Schlaf zurück.

 

Die vielen Menschen, von Trauer und Furcht erschüttert schrien wie wild durcheinander, die langsam eintreffende Polizei konnte sie nur mäßig in Schach halten, die Rettungsdienste versagten dabei, sie zu beruhigen. Zu viel an Unheil, zu wenig an Zeit um zu helfen. In immer kürzer werden Abständen krachten immer mehr Autos in die erleuchtete Nacht und vergingen in Feuer. Was blieb war Schmerz und Tot. Niemanden war es erlaubt sich von der Stelle der Grausamkeit zu entfernen. Auch nicht nachdem nach einigen –Stunden jegliches offensichtliche Unheil beseitigt war. Mit der Zeit haben die Gesetzeshüter die Lage in den Griff bekommen und die Rettungsdienste damit begonnen, sich um die panischen Zuschauer, ja sogar die Schaulustigen, die sich in Massen versammelt hatten, zu kümmern. Retten konnten sie ja doch niemanden mehr. Alle Verunglückten waren geborgen, tot. Bis zur Stunde 137 Tote und das in einer Kleinstadt. Als sei fast halb Devin ausgerottet. Viel mehr als 300 Einwohner fasste Ellens kleiner Heimatort nämlich nicht. Keiner konnte sich das erklären und genau deshalb wurde befohlen, vor Ort zu bleiben, bis alle Zeugenaussagen aufgenommen waren. Ganz egal, wie tief der Schock noch saß, wie schmerzlich sich der Verlust in den Gesichtern der Menschen bemerkbar machte. Ellen erzählte, als sie an der Reihe war, was sie gesehen hatte. Das war nicht gerade viel und dennoch schien es für sie die Welt zu bedeuten. Immer wieder sagte sie, sie müsse Ihre Mutter anrufen. Ihr Entwarnung geben, warum sie so spät nach Hause käme, es war doch sonst immer so viel Verlass auf sie. Doch die Polizei versuchte sie durchlaufend mit der ernüchternden Erklärung zu beruhigen, dass ihre Mum sicher von den Unfällen gehört hätte und den polizeilichen Rat, nicht das Haus zu verlassen, der an die Presse gegeben worden war, befolgte mit der Gewissheit, ihrer Tochter würde schon nichts passiert sein. Ellen lies sich damit wenig abspeisen, so ein Typ war ihre Mutter nicht, sie hätte doch mindestens angerufen, wo ihr Tochter bliebe, dass sie sich seit bereits 5 Stunden furchtbare Sorgen machte. Aber nichts, nicht ein Müdes Zeichen ihrer Mum und das beunruhigte Ellen sehr. Aber Polizei ist Polizei und sie hatte Fragen zu beantworten. Wie gesagt, erzählte sie alles, was sie gesehen hatte, die vielen Schreie, das Feuer,…, alles bis auf den Fremden. Eine innere Stimme gebot ihr, von ihm besser nichts zu erwähnen.

Als alles soweit vorbei war, hatte Ellen es eilig nach Hause zu kommen. Es war bereits viertel vor Neun und ihre Mum musste sich doch schreckliche Sorgen machen. Sie versuchte sie vom Autotelefon aus anzurufen, doch es kam nicht einmal ein Freizeichen. Je mehr sich Ellen ihrem Zuhause näherte, desto unruhiger wurde sie, dabei hätte es nach so einem schrecklichen Nachmittag eigentlich andersrum sein müssen. Als sie die kleine Siedlung am Stadtrand von Devin erreichte, in der sie wohnte, bog sie rasch in die Coldman Street ein und parkte galant aber leise unter dem eigens für sie errichteten Carport. Ein Geburtstagsgeschenk, ihres letztes Jahr verstorbenen Dads. Sie stieg aus und rannte zur Haustür. Mit einem schnellen Klicken auf ihre Autofernbedienung verschloss sie ihren Volvo, während sie mit der linken Hand bereits den Schlüssel drehte und die Haustür entriegelte. Als sie eintrat, schien alles wie immer. Es war aufgeräumt, das Licht im Flur gedämmt, wie üblich in dieser dunklen Jahreszeit. Sie rief nach ihrer Mum, doch erhielt keine Antwort. „Wahrscheinlich vorm Kamin eingeschlafen“, zischte ihr mit einem Lächeln durch die Gedanken. Aber plötzlich merkte sie die Kühle, die aus dem Wohnzimmer rechterhand trat. Hier hatte kein Kamin gebrannt und die Panik schlich sich in ihr Gemüt. Sie trat in das verfrorene Wohnzimmer und entdeckte überall Blut auf dem Fußboden. Sie wollte nach ihrer Mutter rufen, doch ihre Stimme brach ein und so begab sie sich zitternd der Blutspur zu folgen. Sie führte sie vom Wohnzimmer in die ebenfalls durch offenstehende Fenster und einströmenden Schnee erkaltete Küche, danach die Treppe hinauf in das Schlafzimmer ihrer Mum. Und dort fand sie sie. Leblos am Boden liegend. Erneut wollte Ellen Schreien, um Hilfe, doch ihre Stimme war immer noch erstickt. Ihre Mutter war blass wie Schnee und setzte sich kaum merklich vom weißen Parkett ab, wäre sie nicht durch und durch von Blut umgeben. „Oh mein Gott“, dachte Ellen, „sie kann kaum noch Blut in sich haben“. Weinend brach Ellen neben ihrer Mutter zusammen und ergriff den Hörer auf ihrem Nachtisch, um sofort einen Notarzt zu rufen. Das Telefon war tot, so tot wie ihre Mum. Wahrscheinlich würde es auch keinen Notarzt mehr geben der hier noch hätte helfen können. In diesem Moment verging Ellens Welt in Eis! Und mit einem Mal traf sie ein Faustschlag, so hart wie Stein, so kalt wie Marmor und sie wirbelte durch das Zimmer und krachte in das Teakholzregal ihrer Mutter. Vor Schmerzen krümmte sie sich, doch versuchte sie sich aufzurappeln, um zu sehen, was sie eben so dominant erwischt hat und um die Leiche ihrer Mutter zu beschützen. Als sie ihren Kopf auf- und ihre blutverschmierten Augen nach vorne richtete, blickte sie in die karminrot funkelnden Augen ihrer toten Mutter, die wie wild und wie besessen vor ihr kniete zum Sprung bereit. Bereit sie anzufallen, ihre eigene Tochter. Es schien ihr nichts mehr zu bedeuten, aber wie konnte es das auch, sie war tot. Ellen verstand gar nichts mehr und genau in diesem Augenblick warf sich Sylvia auf sie und versuchte sie mit aller Kraft niederzureißen und zu zerschmettern. „Durst“, brüllte es aus ihrer Kehle und Ellen spürte nur noch Schmerz und Schwere, endlose Schwere. Doch mit einem Mal, entfiel diese und ihr schwindender Atem kehrte in ihre Lunge zurück. Sie drehte und wandte sich, immer noch zum Wehren bereit und merkte, dass sie ins Nichts griff. Kein Widerstand, kein Gegner, keine Mutter mehr. Sie wollte aufstehen und nachsehen was geschehen war und wie es ihrer Mutter ging, dennoch konnte sie kaum glauben, was sie jetzt sah und hörte: „Sylvia, ich habe nicht die Macht dich zu töten und sie zu retten, verschwinde hier und komme nie wieder, sonst wird dich einer töten.“ „Was, wie willst du mich denn töten, das ist unmöglich und jetzt gib mir, was mir gehört, ich habe Durst.“ „Dank deinem Schöpfer, Stephanus, doch jetzt verschwinde, heute kannst du hier nichts mehr ausrichten. Die Kleine Ellen hier steht unter meinem Schutz und du wirst ihr im Moment keinen Schaden zufügen, dies hier ist geweihter Grund.“ Der Fremde schmiss ein kleines Fläschchen auf den Boden und es zerbarst. „Plötzlich roch alles so alt und moderig, wie in den Kirchen von heute. Weihrauch und meine Mutter verschwand durch das kleine Fenster in der Dunkelheit und mit ihr auch mein Retter. Er lies mich allein. Allein in meinem unendlichen Schmerz“, dachte Ellen.

Ellen konnte keinen klaren Gedanken fassen und doch gab es jetzt wichtigere Dinge zu klären. Wer war dieser Fremde, der dort schützen vor ihr stand und vor allem, was war mit ihrer Mutter geschehen? Würde sie sie je wieder sehen und wollte sie das denn überhaupt? Fragen, Fragen, so viele Fragen und so viel Kummer.

Als es Morgen war, erwachte Ellen tränenüberströmt. Durch das leicht geöffnete Fenster drang ein wenig kühle Winterluft herein und legte sich sanft und tröstend zugleich um ihre Wangen. Ellen stand auf und legte Kissen und Decke zurecht, aber erst nachdem sie sie zweimal aufgeschüttelt hatte. Genau so, wie sie es von Sylvia gelernt hatte. Im Badezimmer verbrachte sie nur wenig Zeit. In den letzten Wochen hatte sie gelernt, nur wenige Minuten zu brauchen, um allzeit bereit für die wichtigen und unerwarteten Dinge des Lebens zu sein. Sie wollte gut vorbereitet sein für das, was kommt. Heute war ein sehr trauriger Tag. Einer von vielen in den letzten zwei Wochen, der schlimmste überhaupt. Die Trauerfeier ihrer Mum stand an, mit all den Verwandten und Freunden, die noch übrig waren. Auch mit Duncan, ihrem Retter in jener Nacht. Duncan war ein sehr lieber und zuvorkommender Mann. Wunderschön, aber auch seine Haut war hart wie Stein und kalt wie Marmor. Dennoch war er anders als ihre Mum, seine Augen waren nicht feuerrot und auch sonst wirkte er sehr ausgeglichen und angepasst. Jedoch manchmal schien es, als wäre er von einer anderen Zeit. Klar, er war ein Vampir, so viel hatte Ellen schon erfahren, auch ihre Mum war jetzt einer. Duncan erzählte ihr in jener Nacht, als er nach einiger Zeit zurückkam und sie bereits im Wohnzimmer erwartete, er sei noch ein sehr junger Vampir, gerade mal 72 Jahre alt, verwandelt im Alter von 19. Dennoch schien es Ellen, als sei er schon viel länger 19, als 53 Jahre. Er erzählte nicht viel. Sie hatte es wirklich versucht. Er wirkte stets sehr verschlossen. In jener Nacht offenbarte er ihr gerade so viel, was offensichtlich, wenn auch unglaublich war. Ihre Mutter Sylvia sei getötet und zu einem blutrünstigen Monster gemacht worden. Von Stephanus, die Ausgeburt der Untoten. Von dieser Nacht an war sie an die Dunkelheit gebunden und Verdammnis, ohne Wege in die Zukunft.

Aber genug der Gedankengänge, zurück zu Ellen. Ellen brauchte wie gesagt nur wenige Minuten zum Duschen und Ankleiden. Ein schwarzes Seidenkleid, mit einer grauen Samtschleife in der Taille abgebunden und einem ebenso grauen Bolero. Nicht das der Anlass kein sehr trauriger gewesen wäre, der ihr eine atemberaubende Schönheit schenkte, aber Ellen sah einfach umwerfend aus. Zumindest war dies ihr erster eigener Gedanke, als sie sich im Spiegel erblickte.

Ellen verwischte diesen Gedanken ganz schnell und besann sich der eigentlichen Botschaft des Tages, der Gang zu einem leeren Grab, das auf ewig leer sein würde. Sie trat langsam die Treppenstufen zum Erdgeschoss hinab und wurde bereits von einer handvoll Trauergästen erwartet. Ihre Tante Claudie und ihr Onkel Pete huschten zeitgleich zu ihr, als sie die letzten Stufen hinab zu stolpern schien. Stützend fingen sie sie auf und sagten, wie aus einem Munde:“ Lasst uns nicht noch ein Unglück dem heutigen Tage hinzufügen.“ „Mum“, drang es von hinten, „Ich denke, es ist genug, wir sollten heute für Ellen da sein, und nicht mit Worten dafür Sorgen, noch mehr Schmerz zu fühlen.“ Ellen hatte ihren Cousin lange nicht gesehen, des letzte mal vor sieben Jahren, als sie gerade zehn gewesen ist. Christopher ist drei Jahre Älter als sie, und sie kam nicht umhin zu bemerken, dass er zu einem bildhübschen jungen Mann heran gewachsen war, in den sie sich hätte sicher verlieben können, hätte es an heutigem Tag einen angenehmeren Anlass, für das lang ersehnte Wiedersehen gegeben. Denn lang ersehnt war es. Früher wohnten ihr Cousin und seine Eltern noch im Haus nebenan und Ellen traf sich jeden Tag mit Chris im angrenzenden Wald, um verstecken zu spielen und geheime Waldhütten zu errichten, um die Gnome, kleine Waldgeister, die man nie sah, aber im Rauschen der Bäume hörte, zu verjagen. Ja damals war sie ein glückliches Kind gewesen, für das die Gestalten der Nacht nichts als blühende Fantasie gewesen waren, heute war sie sich dem nicht mehr so sicher.

„Alles hatte sich verändert, und unter den heutigen Umständen, kann ich mich doch kaum an den alten Zeiten laben, ganz egal, wie umwerfend hübsch Chris nun ist, nicht heute“, dachte Ellen. „Ellen mein Kind, komm es ist Zeit. Auch wir haben einen Engel verloren, du bist nicht allein“, sagte einer der anderen Gäste, der unweigerlich Charlie, Sylvias bester Freund, sein musste. Erneut fing Ellen an zu weinen und begegnete dabei dem unendlichen Trost der Trauergesellschaft. Aber nichts am heutigen Tag vermochte ihr ihren Schmerz zu nehmen. Am Friedhof angekommen, trafen sie auf weitere zehn Gäste. Entfernte Verwandte, Freunde und Bekannte von der Arbeit. Ihre Mum war eine hervorragende Anwältin gewesen, bis ihr Mann, Ellens Vater im letzten Jahr an Krebs verstarb. Mit diesem Zeitpunkt brach ihr Leben ein, das Glück wisch von ihrer Seite und sie lebte nur noch für Ellen, um sie vor Schmerz und Krankheit schützen zu können. Nicht dass das irgend möglich gewesen wäre. Aber nach dem Tod ihres Vaters gab Sylvia ihre Arbeit auf, um ganz allein für ihre Tochter da sein und ihr die Trauer erleichtern zu können. Sie gab im letzten Jahr so viel von sich auf. Dennoch ihr ehemaliger Chef und zwei weitere Kollegen verstanden es, ihr ihre letzte Ehre zu erweisen. Mr. Olcatt, Inhaber der Anwaltskanzlei Olcatt & Partner, zu denen Sylvia zweifelsohne auch nach ihrem Austritt noch zählte, hielt eine bewegende Rede, die nicht nur die engere Verwandtschaft um Chris, Claudie und Pete zu Tränen rührte, sondern auch Angela, Sylvias Stiefschwester ergriff. Angela und Sylvia konnten sich zu Lebzeiten jedoch nicht ausstehen, Claudie geriet immer zwischen die Fronten. Die drei Schwestern hatten es in der Vergangenheit nicht leicht. Als Ellens Großeltern starben, hinterließen sie Angela das gesamte Erbe, obgleich diese keinen Finger für ihre Adoptiveltern rührte und Claudie, die ebenfalls adoptiert war und Sylvia die einzige leibliche Tochter von Mr. And Mrs. Lightinger, die sich in den letzten Jahren ihres Lebens so hingebungsvoll um ihre Eltern kümmerten und ihnen in schwerer Krankheit zur Seite standen, gingen leer aus. Angeblich weil Sylvia als Anwältin schon so vermögend geworden war, das sie keiner elterlichen Untersetzung bedürfe. Dabei ging es Sylvia keineswegs um irgendeinen materiellen oder finanziellen Wert, sie hätte nur gerne eine Erinnerung, das Amulett ihrer Eltern, behalten. Aber Angela machte alles zu Geld, und was übrig blieb, verbrannte sie, ohne ihren beiden Schwestern auch nur einen Funken Erinnerung zu gönnen. Claudie ging leer aus, weil sie einen Mann, Pete, heiratete, der in den Augen ihrer Eltern ein Nichtsnutz war, da er beruflich nur den Stand eines Postboten erreicht hatte. Für niemanden war dies ein ehrloser Beruf, aber ihren Eltern nicht genug. Sylvia zählte Claudie zu Lebzeiten nicht als Adoptivschwester, sondern als ihr eigen Fleisch und Blut, die beiden verstanden sich blind. Angela hingegen, die für die Familie nichts übrig hatte, wurde von ihr nicht als Schwester akzeptiert. Bis zu ihrem Tod nicht, umso seltsamer, war es, dass Angela überhaupt an der Trauerfeier teilnahm, ja sogar um das Verscheiden ihrer Schwester, der sie stets die Hölle gewünscht hatte, weinte.

„Was eine Rede alles bewirken kann, aus gefühlskalten Menschen vermag sie schlummernde Emotionen zu wecken.“, entfuhr es Chris. Auch er konnte seine Tante nie leiden. Aber aus einem anderen Grund: Er war ebenfalls adoptiert worden, genauso wie Claudie, seine Mum und wie Angela. Ihm hingegen wurde aber mehr Güte und Dankbarkeit in die Wiege gelegt. Er liebte seine Familie, was man seiner Meinung nach von Angela nicht behaupten konnte. Für ihn war sie eine geizige, verbohrte und geldgierige Nutznießerin, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht war. Wie es schien, teilte jeder der Anwesenden diese Ansicht über sie. Ein jeder der Trauergäste blickte Angela hasserfüllt und verachtend an, ein jeder außer Ellen. Als es an ihr war eine Trauerrede zu halten, ergriff sie von hinten eine stützende Hand. Sie konnte den Inhaber dieser Berührung  sofort ausmachen, ohne sich auch nur umdrehen zu müssen. Ihre Tante wollte gerade dazu ansetzen, ihn mit folgenden Worten des Geländes zu verweisen: „Hey, Sie lassen Sie bitte meine Nichte los und entfernen Sie sich umgehend von diesem Gelände, dies hier ist eine geschlossene Traue….“, und plötzlich entbrach ihr ihre Stimme, als sie sah, dass Ellen sich in seiner Umgebung wohlfühlen zu schien und Trost fand.

Ellens Rede war sehr bewegend und nur durch den Halt, den ihr Duncan gewährte, konnte sie sie überhaupt halten:

„Wir haben uns heute alle hier versammelt, um einen geliebten Menschen in Gottes schützende Hände zu übergeben. Ihre Liebe war uns nur geliehen und jetzt ist es Zeit sie wieder den Engeln, wie auch sie einer für uns alle gewesen ist, zurückzugeben. Meine Mum vermochte traurige Herzen mit einem Leuchten zu erfüllen, ganz egal wie Dunkel es in ihnen war. Sie vermochte den Verlassenen und beraubten Seelen unter uns Gerechtigkeit und Zukunft zu schenken. Sie vermochte es sogar zu vergeben – bis in den Tot - (dabei blickte sie in Angelas Augen, die sich mit einem Mal mit Liebe und Dankbarkeit füllten)und Menschen zusammenzuführen, die sich lange gemieden.

Meine Mum war ein Engel auf Erden, der uns gesandt wurde, uns beizustehen in den schweren Zeiten, die wir alle durchlebten. Sie war da, als meine Großeltern erkrankten und half Ihnen einen ruhigen Abschied zu finden. Sie war da, um ihren Schwestern in dunkler Stunde beizustehen, obgleich ihre Stunde noch viel dunkler gewesen war. Sie war da, als deine Frau und deine Tochter zurück in den Himmel gerufen wurden, mein geliebter Pete, und schenkte dir wieder ein wenig Licht und Trost. Sie war dar, als so viele Menschen rast- und ratlos waren und bat ihnen ihre Hilfe an, wie Mr. Olcatt bereits kundgetan hat. Sie war für mich da im letzten Jahr und hat so viel von sich aufgegeben, um mir den schmerzlichen Verlust meines geliebten Dads Stephen zu nehmen. Sie hat uns allen so viel gegeben und so viel Liebe geschenkt. Aber es war an der Zeit, dass auch sie Liebe, Ruhe und Trost empfängt. Gott hat sie zu sich gerufen, dass sie ihre liebevoll schützenden Flügel, nicht nur über uns, sondern über alle Welt spannen kann. Denn wie egoistisch wären wir, sie nur für uns zu beanspruchen. Gott hat sie zu sich gerufen, um ihr nach so viel Kummer ein wenig Ruhe und Frieden zu schenken, als Dankbarkeit für ihren Dienst auf Erden. Gott hat sie zu sich gerufen, um sie mit meinem Dad wiederzuvereinen und ihr nicht die Ungerechtigkeit zu teil werden zu lassen, ein Leben lang ihre große Liebe zu entbehren. Die beiden hatten damals noch so viel vor, so viele Pläne, doch das Leben lenkte sie in andere Bahnen, die das Aufgeben ihrer Träume veranlassten. Jetzt muss keiner von Ihnen mehr Träume sterben sehen.

Vater wird sie gut empfangen, wenn wir sie jetzt heimkehren lassen und wir unsere Trauer ertragen, wie auch sie sie so stark im Leben ausgehalten und überwunden hat. Ihr Schmerz war so viel größer, als unserer heute. Sie hat ihn ausgestanden, um uns alle zu schützen und heute ist es an uns Stärke zu beweisen und sie gehen zu lassen, dass sie in Frieden heimkehren kann. Mum, ich liebe dich.

Ich werde dafür sorgen, dass du deinen Frieden findest.“ Diese letzten neun Worte waren nur noch ein Flüstern, dass einzig Duncan zu hören vermochte und ihn erschauern lies.

Als Ellen ihre Augen nach dieser ergreifenden Rede wieder aufrichtete, blickte sie in tränenüberströmte aber von Liebe erfüllte Gesichter. Genau in diesem Moment war es, dass Ihr Onkel, Chris, Pete und Mr. Olcatt den leeren Sarg in das Grab ihres Vaters sinken ließen und es langsam mit Erde bedeckten. Ein jeder flüsterte sein ‚Asche zu Asche und Staub zu Staub‘, als er ein wenig Erde und eine weiße Lilie, Sylvias‘ Lieblingsblume, ins Grab sinken lies. Nach einer Weile zeugte nichts mehr von dem ausgehoben Loch, außer ein mit Blumen und Kränzen übersäter Haufen und die hinzugefügten Lettern auf dem Grabstein ;Sylvia Hurt, born Lightinger, *12.12.1971 - +29.11.2010, RIP.

Und erst beim Anblick der Lettern wurde den Gästen bewusst, dass der Tag ihrer Beerdigung ihr 39 Geburtstag gewesen wäre. Ellen bemerkte die Überraschung in den Gesichtern der Anwesenden und fügte zu deren trostlosen Ausdruck schnell hinzu :“Ich dachte, es sei eine gute Weise für sie zu gehen, heute ist alles von Liebe erfüllt!“ Und so füllte sich auch die Augen ihrer Beisteher wieder mir gutem Mut. „Sie wird sicher und wohlbehalten zu Hause ankommen, Elster“, sagte Chris. „Und so wird es sein“, flüsterte Duncan ihr unmerklich ins Ohr, küsste ihr das Haar, so sachte, dass sie sich selbst nicht sicher war, legte ihr einen Zettel in die linke Hand, löste seinen Griff aus ihrer rechten und verschwand im Nebel, der sich an diesem verregneten Dezembermittag über den Friedhof gelegt hatte. Als sie ihm nachsah, brach ein wenig Sonnenschein durch die Wolken und erfüllt sie mit leichter Wärme und entlockte ihr ein „Danke, Fremder.“ >>>

 

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(c) Jil Bayer

 

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